Öffentlich-Rechtlicher Staatsfunk

Kürzlich wartete ich bei schönstem Frühlingswetter, auf meinem Gelderländer Grachtenrad sitzend, an der Kreuzung Neusser Straße/Wilhelmstraße darauf, dass es für die Fahrzeuge und deren „Führer“ (also auch für mich) grün werde. Diese Kreuzung ist eine verkehrspolitische Liebeserklärung an die Fußgänger, denn sie hat eine sogenannte Diagonalquerung. Kreuzungen wie diese sind gebaut worden in einem tiefen Respekt vor der Fortbewegungsweise des Homo Sapiens: Dem aufrechten Gang. Wenn die Fußgängerampel auf grün springt, müssen alle Fahrzeuge, aus welcher Richtung sie auch kommen und in welche Richtung sie auch wollen, anhalten – und alle Fußgänger dürfen die Kreuzung überqueren – geradeaus und diagonal.

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Kreuzung Neusser Straße/Wilhelmstraße in Nippes, 19.4.2020. Ich bin zu Fuß unterwegs. Ein typischer, öder Corona-Sonntag. Obwohl kein Auto fährt, bleiben Hund und ich, weil die Ampel rot zeigt, stehen.

Ende des 20. Jahrhunderts: „Rush-hour in Ginza, dem modernsten Einkaufsviertel Tokyos.“ Eine Kreuzung mit Diagonalquerung.

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Vermutlich ist diese Kreuzung achtmal so groß wie die in Köln-Nippes. In der Mittel knubbelt es sich, daher sprechen die Japaner auch von „Knäuel-Kreuzung“. Dramatisch ist das nicht. Zusammenstöße gibt es kaum. Die Menschen gehen langsam und nehmen Rücksicht, sie bewegen sich nicht angespannt, obwohl Rush-hour ist, sondern anmutig.  Das Überqueren der Kreuzung kann nur gelingen, wenn die Menschen nicht einen verordneten Abstand einhalten, sondern genau den Abstand zueinander finden, der an der jeweiligen Stelle der Überquerung vonnöten ist. 1,5 vorgeschriebene Meter würden zum Verkehrs-Kollaps führen. Fotografiert hat die Kreuzung vor gut 20 Jahren, also noch im Vor-Smartphone-Zeitalter, Eberhard Grames, ein Fotograf, der die Begabung hat, nicht nur abzubilden, sondern Momente einer Mannigfaltigkeit, die sich unter der Oberfläche verbirgt, einzufangen. Dieses Bild, von einem Hochhaus aus aufgenommen, ist ganz wunderbar geglückt. Je näher wir es angucken, desto mehr Geschichten erzählt es uns. Es rückt die Menschen, deren Gesichter verborgen bleiben, in den Mittelpunkt.                                                          Heutzutage wäre ein solches Foto kaum noch vorstellbar. In der beschleunigten Welt liegt deutlich mehr Aggressivität in der Luft, vermutlich auch an der Kreuzung in Ginza. Die Fotografen der Gegenwart sind nicht mehr unbefangen, sondern haben permanent die juristische Schere im Kopf, denn das GESETZ ist mittlerweile allgegenwärtig. Die Fotografen haben Angst, den Menschen zu nahe zu treten und verklagt zu werden, weil sie gegen das „Recht am eigenen Bild“ verstoßen. „Gem. § 22 Satz 1 KunstUrhG dürfen Abbildungen einer (erkennbaren) Person grundsätzlich nur dann verbreitet oder zur Schau gestellt werden, wenn deren Einwilligung vorliegt.“ dejure.org  Das Gesetz, das es (in mittlerweile überholten Fassungen) bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt, hat gute Seiten, denn es schützt vor fotografischer Willkür, aber er hat auch zur Folge, dass die Bilder oberflächlich und austauschbar sind, dass die abgebildeten Menschen gesichtslos erscheinen und es kaum noch Bilder gibt, die vom Leben erzählen. Der Fotograf fühlt sich gezwungen, auf (Sicherheits-) Abstand zu gehen bzw. Gesichter, die identifizierbar sein könnten, zu verpixeln.                  Kein Foto, das später von der Kreuzung in Ginza gemacht wurde und das ich im Internet finde, kommt auch nur annähernd an das von Eberhard Grames heran. Das Foto ist abgedruckt in: Japan, Peter Göbel und Norbert Hormuth (Text), Eberhard Grames (Fotos), München 1998. Um sich das Bild (und andere) genau angucken zu können, braucht man das großformatige Buch. Es  ist längst vergriffen, aber mit etwas Glück bekommt man es gut erhalten antiquarisch.

Ich musste mich gedulden, denn die Ampelphase dauert relativ lang. Das ist heikel, denn der Radweg ist nur ein schmaler Streifen am Rand der Fahrbahn. Als ehemalige Mitradlerin und Mitorganisatorin der Critical Mass Nippes weiß ich, welche Aggressivität in den Blechkisten lauert. Autofahrer werden nervös, wenn sie warten müssen. Sie drehen durch, wenn die Fußgänger „Vorfahrt“ haben, gerade die langsam gehenden Menschen machen die Autofahrer kirre, ältere Menschen, Menschen mit Gehwagen, mit Kinderwagen, mit Einkaufstaschen.

Als die Ampel für die Fahrzeuge auf grün sprang, trat direkt neben mir ein Autofahrer wie entfesselt aufs Gaspedal. Die Kiste jaulte laut auf, ein schmuckes, schwarz glänzendes Cabrio zeigte sein fragwürdiges Auto-Kennzeichen: K – Co…. C und O sind der erste und der letzte Buchstabe von Cabrio, aber CO ist auch die erste Silbe von… Corona gibt brutalen Männern Aufwind, und das ist gefährlich.

In meinem Umfeld gibt es keine brutalen Männer, aber viele nachdenkliche, sensible Menschen, die sehr verunsichert sind. Zwei unserer Verwandten, mit denen wir Ostern zusammen gefeiert hätten, sind in den letzten Wochen psychisch schwer erkrankt und mussten in psychiatrische Behandlung (die durch Corona-Angst bedingten Erkrankungen sind als solche ärztlich dokumentiert!). Sie hatten Angstzustände und Panikattacken mit schwerer Atemnot, aber auch unkontrollierbare Aggressionen. Beide hatten furchtbare Angst, selber schwer erkrankt zu sein. Der jüngere Mensch ist ein warmherziger Mann von 22 Jahren, dem das Virus eigentlich nicht viel anhaben kann.

Beide hatten sehr viel ferngesehen. Wir machen den Fehler zu meinen, man könne vom öffentlich-rechtlichen, bürgerfinanzierten Fernsehen auch in der Krise eine bürgernahe, unabhängige Berichterstattung erwarten. Aber genau das ist ein Irrtum. Zur Zeit gibt sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen affirmativ und regierungskonform. Und man verhält sich so, wie man es den privaten Sendern immer unterstellt hat: Sensationslüstern und reißerisch. Um Sachlichkeit vorzugaukeln, werden zwar Sendungen für Kinder produziert, deren Ton gemäßigter ist, aber das ist fadenscheinig. https://www.zdf.de/nachrichten/digitales/kinder-fragen-corona-erklaeren-100.html Denn wir alle – auch die Kinder- bekommen permanent Bilder zu sehen, und zwar öffentlich-rechtlich, vor denen die Kinder sowie sensible und gefährdete Menschen unbedingt geschützt werden müssten, Horrorbilder wie aus Gruselfilmen, vermummte Gestalten, Särge, kalte Krankenhausflure, Beatmungsgeräte. Das ist nicht nur maßlos übertrieben und aufgeheizt, sondern äußerst fahrlässig. Und – um einen Ausdruck aus dem Ersten Weltkrieg zu benutzen-  es wirkt so zermürbend und zerstörerisch wie ein nie endendes Trommelfeuer.

In seinem Gastartikel „Angst frisst Demokratie“ in der Wochenzeitung Die Zeit schreibt der Journalist Jakob Augstein:  „Alle Mechanismen der modernen Medienhysterie werden hier wirksam! Und anstatt zu mäßigen, wirken Politik und Medien noch als Brandbeschleuniger.“

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Ich kenne niemanden, der nicht zumindest leichte psychosomatische Beschwerden hat. Viele Menschen haben wieder mit dem Rauchen angefangen. Ich trinke zu viel Rotwein und komme mit dem abendlichen Viertel nicht mehr hin. Dabei macht mich der Wein nicht heiter, sondern nur müde…  Ich fahre nicht gerne Tandem. Wenn man vorne fährt, hat man jemanden im Nacken. Hinten sitzend kann ich weder lenken noch bremsen. Ich muss darauf vertrauen, dass Vordermann oder Vorderfrau vernünftig fährt und rechtzeitig bremst. In der Demokratie muss es Volksvertreter geben. Aber ich muss mich auch darauf verlassen können, dass diese Volksvertreter sich vernünftig verhalten. Ich habe kein Vertrauen mehr in die Politik unserer Bundesregierung. Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, Herr Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, es reicht!

…. Das Tandem ist eines von dreien (das schönste). Es gehört zum „Fuhrpark“ des Vereins Nachbarn 60 und kann von allen Vereinsmitgliedern kostenlos ausgeliehen werden. (info@nachbarn60.de)

2 Gedanken zu „Öffentlich-Rechtlicher Staatsfunk

  1. Liebe Lisa,
    die massive Rhetorik der Angst, die in den Hauptmedien und auch vom RKI angewendet wird, und die respektlose Diffamierung und methodische Ignoranz gegenüber medizinischen und mathematisch-statistischen Experten, die eine andere Perspektive auf den Umgang mit Covid-19 haben, sind ein Armutszeugnis für einen Großteil der öffentlichen Medien, die doch die vierte Macht in einem demokratischen Staate sein sollten und keine unterwürfigen Hofberichterstatter.
    Ich bin empört, daß ich für diese meinungsdiktatorischen Medien monatlich mehr als ein Prozent meines Nettomonatsgehaltes an Zwangsgebühren zahlen muß!

    Doch es geht auch anders! Darf ich Dich auf eine interessante neue Webseite bzw. YouTube-Seite hinweisen, die wegen ihres unabhängigen, hinterfragenden und sehr anschaulich über manipulative Medienmethoden aufklärenden Inhalts vermutlich Deine Zustimmung finden wird?
    Ich habe zwei Links zu einem aktuellen und kurzen sowie einem einführenden Beitrag ausgewählt, damit Du Dir vom „Club der klaren Worte“ des Publizisten Markus Langemann einen Eindruck verschaffen kannst.

    Neue Erkenntnisse: Geld von Gates an Spiegel, Die Zeit, Prof. Drosten
    https://www.youtube.com/watch?v=tSIEIsYPDRI

    Wie Medien in Zeiten von Corona manipulativ arbeiten
    https://www.youtube.com/watch?v=MmKl_KiuUrI

    Mündige Grüße 🙂
    Ulrike von Leselebenszeichen

    • Liebe Ulrike, ganz herzlichen Dank für diesen Hinweis!!! „3 Fragen“ macht (auch) darauf aufmerksam, wie kalt und leidenschaftslos heutige Politiker agieren. Ein Zitat, das ich derzeit immer im Kopf hab: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.“ (Elie Wiesel)

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