An den Schaltern von Commerzbank und Sparkasse KölnBonn kann man weder Briefmarken kaufen noch Päckchen aufgeben. Bei der Postbank ist das anders. Ihre Filialen ähneln, auch wenn die Beratungsräume mit Teppichboden ausgelegt sind, Gemischtwarenläden, und das gefällt mir.
Dass ich mein Postbank-Konto trotz der relativ hohen Gebühren behalte, ist reine Nostalgie. Als es die Postbank noch nicht gab, sondern Postscheck- bzw. Postgiroämter, bot die Post Sparbücher an, die ordentlich verzinst waren und mit denen man sogar in den Postämtern kleiner südfranzösischer Ortschaften ohne Gebühren Francs abheben konnte.
In den frühen 80er Jahren studierten wir Geisteswissenschaften, hatten viel Zeit und reisten am liebsten mit dem Fahrrad. Es war ganz einfach: Irgendwann im Spätsommer, wenn es uns nach Südfrankreich zog, radelten wir zum Kölner Hauptbahnhof, kauften günstige Rückfahrkarten und gaben unsere Fahrräder auf, die weder versichert noch verpackt werden mussten. Ein paar Tage später fuhren wir mit dem Zug den Fahrrädern hinterher. Das war nicht ohne Risiko. Einmal sind die Fahrräder erst drei Tage nach uns im Bahnhof von Lyon angekommen. Aber das war uns egal, denn so lernten wir, bevor wir uns ins Umland aufmachten, Lyon kennen.
Meistens hatten die Fahrräder nach dem Transport ein paar kleinere Kratzer, aber auch das störte uns kaum, denn die Fahrräder waren nicht neu. Meins hatte nicht einmal eine Gangschaltung und taugte kaum für die Berg-Etappen. Weil ich nicht besonders sportlich bin, kam es mir recht. So schob ich das Rad, hatte ein paar Momente für mich und lauschte den Grillen. Wir hatten Zelt und Schlafsäcke dabei und in den Satteltaschen Bücher, die an der Uni nicht gelesen wurden, Werke mit wohlklingenden Titeln: “Die Dialektik der Aufklärung”, “Männerphantasien” und “Geschichte und Eigensinn” (je 1,2kg!). Wir waren jung, stark, naiv, verliebt, hatten noch gute Nerven- und Postsparbücher.
Irgendwann wurde nicht nur das klassische Postsparbuch abgeschafft, sondern auch die Möglichkeit, ein Fahrrad preiswert und ohne großen Aufwand nach Frankreich zu verschicken. Vermutlich hat es dermaßen viele Schadensersatz-Forderungen gegeben, dass es sich für die Bahn nicht mehr rentiert hat.
Wie in den Bahnhofs-Gebäuden herrscht auch in den Räumen der Post ein zunehmend ruppiger, unwirscher Ton – sofern es diese Räume noch gibt. Die Deutsche Bank, der die Postbank gehört, hat angekündigt, bis Ende 2023 von derzeit 750 Filialen weitere 200 zu schließen. Vor allem in den Innenstädten greifen die “Sparmaßnahmen”. In Köln sollen in Kürze die Filialen am Kartäuserwall (Südstadt) und am Sudermannplatz (Agnesviertel) dichtmachen. Wie lange die Nippeser Postbank-Filiale erhalten bleibt, ist derzeit unklar, denn auch für die verbleibenden 550 Geschäftsstellen soll es lediglich eine Standortgarantie bis Ende 2024 geben.
Die Nippeser Filiale wird vielleicht deshalb (noch) nicht geschlossen, weil sie mitten in Nippes ideal liegt. Die Räume selber sind nicht mehr zeitgemäß. Um in den Schalterraum zu gelangen, muss man eine Treppe hochsteigen. Dennoch ist die Filiale gut besucht. Vor Weihnachten standen die Leute sogar bis auf die Straße Schlange, nicht nur wegen der Abstandsregeln. Da der Briefmarkenautomat monatelang kaputt war, wurden auch die in die Schlange verbannt, die nur eine Briefmarke brauchten.
Irgendwann wurden Ordnungskräfte eingestellt, die die Einhaltung des Corona-“Sicherheitsabstands” überwachten. Eine der Ordnungskräfte war ein hektischer junger Mann, der sich verhielt, als sei er staatlich geprüfter “Hüppekästchen” -Schiedsrichter. Er pfiff alle Leute zurück, die es wagten, die rote Linie bzw. das rote Klebeband auch nur um wenige Zentimeter zu übertreten.
Der kleine hübsche Mann bewegte sich, als zöge eine unsichtbare Hand an einer mit all seinen Gliedern einzeln verbundenen Strippe. Sein Hampeln trug nicht zur Entspannung bei, im Gegenteil. Einmal geriet ich, als ich ein Päckchen aufgeben wollte, mit dem Mann aneinander. Es war Samstagmittag, seit zehn vor eins hatte ich in der Schlange gestanden und war in der Schlange stehend die Treppe hochgestiegen. Um Punkt ein Uhr, genau in dem Moment, als ich an der Reihe gewesen wäre, den Schalterraum zu betreten, schloss die Post. Die Leute, die vor mir waren, kamen noch dran. Sie kamen auch noch raus. Nur ich…
Der Hampelmann stellte sich in den Zugang zum Schalterraum, stemmte die Beine in den Boden und legte die Arme an. Er ließ mich nicht vorbei und verlagerte sein Gewicht mal auf den linken, mal auf den rechten Fuß. Ich konnte nicht anders: Ich nahm ihn vorsichtig bei den Schultern und versuchte, ihn zur Seite zu schieben. Er wehrte sich nicht, sagte nur leise: “Hilfe, Hilfe”. Die Hilfe bekam er. Und was bekam ich (ab)? Das erzähle ich ein andermal…
Aktuell hat sich die Lage entspannt, aber wohl nur, weil Weihnachten vorbei ist und die Leute weniger Briefe und Pakete verschicken. Für die Postbank ist Corona einmal mehr ein Vorwand, die Zahl der Kunden zu reduzieren. Jetzt, in der Karnevalszeit, darf nur eine (!) Person den Schalterraum betreten. Das ist -ich kann es nicht anders sagen- ein Schlag in den Nacken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post. Denn so nagt der “Schutz vor Corona” langsam, aber sicher am aktuell noch bis Juni 2023 bestehenden Kündigungsschutz.

Nachtrag 7. März 2022: Mit einem Sicherheitsabstand von ein paar Tagen ist diese Info, die vermutlich jederzeit spontan eingeblendet werden kann, kurz nach Aschermittwoch wieder ausgetauscht worden.
In dem Zusammenhang konnte man auch die Sicherheitskräfte entlassen. Dort, wo der Hampelmann stand, wenn er mal stand, steht jetzt mitten im Weg eine Ampel. Doch auch die spielt manchmal verrückt, und auch die wird irgendwann abgeschafft werden. Ob zusammen mit der gesamten Filiale, wissen wir nicht.
Den kleinen hübschen Mann habe ich nicht mehr wiedergesehen, was ich schon ein bisschen bedaure.
Adieu, AHAmpelmann!
Jetzt
ist hier
eine Ampel an,
denn fort ist der
AHAmpelmann
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Allen, die meinen Blog von außerhalb Deutschlands besuchen, schulde ich eine Erklärung: Was ist AHA?
Wenn sich auch die Hygiene-Regeln weltweit ähneln dürften, ist doch die neckische AHA-Formel typisch deutsch. Plakat des Bundesministeriums für Gesundheit: Mit der AHA-Formel durchs Jahr!
“Durchs Jahr” klingt bedrohlich, hat doch 2022 erst gerade begonnen. Bei der Internet-Recherche stelle ich zu meiner Beruhigung fest, dass das Plakat schon ein Jahr alt ist, und zwar von Januar 2021. Ich will mit AHA nicht durch noch ein Jahr. Und ein “AHAlle Jahre wieder” wäre entsetzlich.
Wer AHA schon spießig findet, dem sei gesagt: Es geht noch zwangsvergnügter. Ich schätze den Humor der Wiener Stadtverwaltung und insbesondere die Wiener Hundekotsackerl, aber OIDA…