Eine Reise mit Coronatestfußfessel – Ein abendliches Treffen mit der Frau Keuner

“Hömma Lisa, du kannst ja braten”, sacht meine Nachbarin, die Frau Keuner, und stopft sich eine halbe Bulette ins Maul. “Aber wat isst du so langsam?”

“Ich will einfach nicht mehr so viel Fleisch essen.”

“Dann lass dir Zeit”, sagt die Frau Keuner. “Ich mach dat schon.”

Abends ist die Frau Keuner mit paar Flaschen Kölsch vorbeigekommen, und ich hab auf ihren Wunsch Buletten gebraten. Viele, weil ich damit gerechnet hab, dass die Frau Keuner viel essen kann. Die Frau Keuner spießt eine weitere Bulette auf. “Ich wollte dir den Appetit nicht völlig verderben, Lisa, aber die Wahrheit sagen. In dieser Bulette ist nicht nur das Fleisch von einem Rind und einem Schwein, sondern zerkleinertes Fleisch von unzähligen Rindern und Schweinen, denn das wird in riesigen Bottichen zermanscht. Aber sach, willst du nicht mehr?”

Ich kann mich erinnern, dass mein großer Bruder vor gefühlt 55 Jahren einmal aus Futterneid vor den Augen seiner hungrigen, entsetzten Schwestern in eine Schüssel mit köstlichem Essen gespuckt hat, und zwar ausgiebig, aber was die Frau Keuner hier macht, das ist schlimmer, das ist Psycho-Spucken.

“Das Fleisch ist bio”, sage ich leise.

“Dann is dat eben Hackfleisch von unzähligen artgerecht gehaltenen Bio-Schweinen und Bio-Rindern. Deine Buletten sind echt lecker, aber noch verbesserungsfähig. Die Zwiebeln könnten feiner geschnitten sein. Ich komm jetzt einmal die Woche vorbei und kontrolliere deine Fortschritte. Das nächste Mal bitte mit Salat.”

“Kartoffelsalat?”

“Jau”, sagt die Frau Keuner. “Buletten können wir noch essen, wenn wir überhaupt keine Zähne mehr haben. Aber jetzt pack mir bitte die restlichen Buletten in einen Tuppertopf. Die ess ich morgen in aller Ruhe, und zwar alleine, du störst ja nur.” Ich räume den Tisch ab und geh mit feuchtem Lappen und anschließend mit trockenem Geschirrtuch über die Platte, denn die Frau Keuner braucht fettfreien Platz für die Computerausdrucke.

Die Frau Keuner pickt ein paar übersehene Fleischkrümel vom Tisch und breitet die Ausdrucke aus. “Lisa, du musst mal langsam lernen, dich zu wehren. Du bist viel zu freundlich, aber die Gesellschaft ist das schon lange nicht mehr. Freundliche Menschen werden nicht ernst genommen. Die Demokratie ist nur noch ein Alibi. Die Politiker wollen deine Stimme, aber nach den Wahlen wollen sie dich ganz schnell wieder loswerden. Die sind an unserer Arbeit und an unserem Geld interessiert, aber nicht an unserer Meinung, denn das bringt nur Ärger. Wir sind denen lästig. Vielleicht erinnerst du dich: Vor zwei Jahren hast du gesagt, mit dem Jens Spahn würdest du gerne mal ein Gespräch unter vier Augen führen. Nur leider redet der Jens Spahn nicht mit dir. Aber das ist gut so, sonst wäre das Gesagte unter euch geblieben. Wozu hast du deinen Blog? Da kannst du aufschreiben, was du ihm gerne persönlich gesagt hättest. Schreib, was passiert ist, schreib über Jens Spahn. Der Mann hat uns viel angetan”.

“Das kann man doch so nicht sagen”, sage ich leise und räume die Teller in die Spülmaschine. “Der Jens Spahn hat im Jahr 2020 einen FDP-Vorschlag abgelehnt und sich klar gegen die Leihmutterschaft ausgesprochen, und das rechne ich ihm hoch an.”

“Du musst den Spahn jetzt nicht noch in Schutz nehmen”, sagt die Frau Keuner. “Im selben Jahr hat der Jens Spahn die Widerspruchslösung für “Organspenden” vorgeschlagen, so, wie es die schon in der DDR gab. Damit ist er ja zum Glück nicht durchgekommen. Der Jens Spahn ist ein Karriererist, der ist schon mit 15 in die Junge Union eingetreten. Dann war er ausgemustert und hat eine Banklehre gemacht. Der Jens Spahn ist schon früh auf die schiefe Geldbahn geraten. Eigentumswohnung mit Anfang 20, zwei fette Kredite. Die mussten natürlich abbezahlt werden. Und was macht man, wenn man Geld braucht? Geschäfte. So empfiehlt man sich heutzutage für die Politik. Was in der Steinzeit die fette Beute war, sind heute die dicken Geschäfte… Aber wir reden ja jetzt über Corona. Corona hat gezeigt, wie autoritär unsere Politiker ticken, wie groß ihre Angst ist, Macht und Privilegien zu verlieren. Gehen wir mal zwei Jahre zurück. Also… Bundesgesundheitsminister Spahn muss beweisen, dass er alles im Griff hat. Denn in Deutschland regt sich Widerstand, Impf-Widerstand.”

Ich setze mich wieder zu der Frau Keuner, die mir einen Zettel mit Zitat zuschiebt mit der Bitte, laut vorzulesen: “‘Innerhalb der EU wird das Reisen voraussichtlich nicht von der Impfung abhängig sein’, sagte Spahn der ‘Rheinischen Post’ in der Samstagsausgabe (08.05.2021). `Auch mit den Testungen wird man sich europaweit gut bewegen können’, ergänzte er. Spahn selbst werde seinen Urlaub in Deutschland verbringen. ‘In dieser hoffentlich letzten Phase der Pandemie würde ich keine großen Fernreisen planen, Nordsee statt Südsee quasi’, sagte der CDU-Politiker.https://www.fr.de/politik/jens-spahn-urlaub-bundesrat-lockerungen-geimpfte-genesene-entscheidung-gesetz-deutschland-sommerferien-zr-90497261.html

“Das ist sowas von autoritär”, sagt die Frau Keuner. “Und wieder einmal wird das schöne Wort “Hoffnung” missbraucht. Hör dir das an: “Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) macht Hoffnung auf den Sommerurlaub in EU-Staaten.” Da stilisiert sich der Spahn auch noch zum Überbringer der Frohen Botschaft. Das ist gönnerhaft. Doch mittlerweile wissen wir, dass nicht nur beim Maskenkauf einige Milliarden Euro Steuergelder verschwendet wurden, sondern auch bei der Beschaffung von Tests. Das war nur zu unserem Schutz, wie die behauptet haben, das ist nicht mal nachgeprüft worden.” https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pcr-tests-111.html

Die Frau Keuner öffnet sich die frische Flasche Kölsch, die ich ihr aus dem Kühlschrank geholt hab. “Die unbrauchbaren Tests müssen jetzt auch alle vernichtet werden, genauso wie die abgelaufenen Impfstoffe und die unbrauchbar gewordenen Masken. Aber der Olaf Scholz wird sich, sobald der angepasste Corona-Impfstoff da ist, trotzdem ein fünftes Mal impfen lassen. Aus Treue zur Pharmaindustrie und aus Rechthaberei.” Die Frau Keuner trinkt einen Schluck. “Der Scholz wird noch mal so richtig auf die Schnauze fallen… Sach mal, Lisa, heulst du?” Sie reicht mir die Serviette, mit der sie sich vorhin den Mund abgewischt hat.

“Brauch ich nicht”, sage ich leise. “Ich habe nur immer die Bilder im Kopf. Ende August 2021 sind wir nach Frankreich gefahren. Wir mussten uns per Internet anmelden. Und dann brauchten meine jüngere Tochter und ich noch einen negativen Anti-Gen-Test, also waren wir am Tag vor der Abreise in der Test-Station gegenüber vom alten Schlachthof. Ich konnte mich nicht auf den Urlaub freuen. Wie soll man sich in die Vorfreude fallen lassen, wenn man nicht weiß, ob man nicht auf den letzten Drücker doch noch positiv ist. Vor mir war eine ungeimpfte Frau, ein paar Jahre älter als ich. Wenn man älter ist, zeigt man ja nicht mehr so gerne die Zähne, und man reißt man nicht gerne den Mund auf, vor allem nicht in einer Test-Baracke gegenüber vom alten Schlachthof. Die Frau hat geschrien und gelacht. Krampfhaft. Aber irgendwann hat sie dann doch den Mund aufgemacht.”

“Du hast doch den Spahn gehört”, sagt die Frau Keuner und grinst. “Du konntest froh und dankbar sein, als Ungeimpfte überhaupt ins Ausland zu dürfen. Ich war schon lange nicht mehr verreist. Welche Rentnerin kann sich das denn noch leisten? Den Leuten mit der kleinen Rente bringt die Rentenerhöhung nicht viel. Was sind 5% Rentenerhöhung, wenn du nur 600 Euro Rente kriegst? Aber komm jetzt nicht auf die Idee, mich beim nächsten Mal einzuladen. Wie du Urlaub machst, das ist mir einfach zu spießig. Du machst das, was du auch in Köln machst, du mietest für dich und deine Töchter eine bezahlbare Ferienwohnung und bestückst die mit euren Kölner Plörren. In Paimpol angekommen, gehst du nicht direkt zum Hafen, sondern in den Intermarché. Aber auch nur deshalb, weil es da keinen REWE gibt. Am nächsten Tag fahrt ihr drei zum Plage de Behec, aber der Strandtag fühlt sich an wie ein Tag in der Riehler Rheinaue.”

“2021 hat es sich wirklich so angefühlt”, sage ich leise. “Aller Zauber war weg.”

“Ich verschick übrigens Urlaubsfotos”, sagt die Frau Keuner. “Wenn du mir sagst, ich soll dir welche schicken, dann setz ich mich vor meine Fototapete und mach Selfies.”

“Was ist das denn für eine Fototapete?”

“Raufaser”, sagt die Frau Keuner. “Weiß, leicht vergilbt. Aber ich sag dir was. Du hast noch Glück gehabt. Andere Ungeimpfte mussten zu Hause bleiben, nur weil der Test positiv war. Aber negativ war auch nicht viel besser. Hör dir Spahns Satz noch mal genau an. Auch mit den Testungen wird man sich europaweit gut bewegen können – Das ist nicht nur gönnerhaft, sondern richtig böse. Und jetzt setz die Wörter “auch die Ungeimpften” ein, denn die sind ja gemeint. Also… Mit den Testungen werden sich auch die Ungeimpften europaweit gut bewegen können. Woran erinnert dich das?”

Ich ahne, worauf die Frau Keuner hinauswill. “An die elektronische Fußfessel?”

“Genau”, sagt die Frau Keuner. “Und dabei legt man die elektronische Fußfessel nur entlassenen Schwerverbrechern an, vor allem Sexualstraftätern. Das ist durchaus logisch. Aus Sicht der Bundesregierung waren ja alle Ungeimpften Straftäter. Aber sach, hast du die Coronatestfußfessel für einen Moment vergessen?”

“Nein, die Coronatestfußfessel war zwar unsichtbar, aber die hing mir wie ein Klotz am Bein.” Doch jetzt gibt es kein Halten mehr, es bricht aus mir heraus: “Warum haben die mich und meine jüngere Tochter gezwungen, uns testen zu lassen? Wir war doch beide nachweislich immun. Meine ältere Tochter hatte Delta, hohe Virenlast, und wir beide haben mit aller Kraft versucht, uns bei ihr anzustecken, aber es hat nicht geklappt. In der Nachbarschaft ist ein junger Mann krank geworden, obwohl er geimpft war. Der hat die ganze Familie angesteckt, obwohl oder weil die auch alle geimpft waren. Die haben es richtig heftig bekommen. Warum gab es kein großes I für immun. Wozu soll ich mich testen lassen, wenn ich immun bin? Ich konnte und kann alles bezeugen. Und in Frankreich durften wir ohne aktuellen negativen Test nicht einmal ins Café. Und das, obwohl wir immun waren. Ich hatte sogar das positive Testergebnis meiner älteren Tochter und unsere negativen dabei und den Beleg für die zweiwöchige Quarantäne.”

Die Frau Keuner lacht: “Was sollen denn die Franzosen mit Kölner Beweismaterial? Außerdem war General Macron doch genauso rigide. Die Franzosen haben mit der Testung von Touristen richtig viel Knete gemacht. Lisa, du bist ein Störfall.”

“Das weiß ich doch”, sage ich. “Aber etwas in mir hat darauf gehofft, dass der Dr. Nießen vom Kölner Gesundheitsamt auf mich zukommt und mich beglückwünscht, dass er mich fragt, wie ich als Frau über 60 es geschafft habe, mich nicht mit der gefährlichen Delta-Variante zu infizieren.”

“Hömma, Lisa, du bist dermaßen naiv. Du stellst die Zwangsmaßnahmen in Frage und erwartest auch noch Beifall. Aber jetzt mach ich einen Test mit dir. Wessen Haaransatz ist das?”

“Spahn? Beide Male?”

“Und jetzt vergleich mal die beiden Urlaubsbilder von Spahn und Ehemann aus den Jahren 2021 und 2023 miteinander. Im Sommer 2021 war der Spahn noch so doof, ein Selfie zu veröffentlichen. Beide tragen keine Sonnenbrille, auch der Spahn nicht, dabei ist der Spahn Bundesgesundheitsminister. Und jetzt kommt’s. Sein Ministerium hat im Frühjahr des selben Jahres ein Heft seiner kostenlosen Werbebroschüre “Im Dialog” herausgegeben. In Heft 6/April 2021 geht es fast nur um die Impfung, aber auf der Kinderseite (S.34) wird ausdrücklich vor zu viel Sonne gewarnt. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Ministerium/Broschueren/BMG_Dialog_1-2021_bf.pdf

Der Jens Spahn hat für die Broschüre sogar das Vorwort geschrieben. Doch warum hat er die Warnungen seines eigenen Ministeriums nicht ernst genommen? Guck dir noch einmal das Selfie an. Gesundheitsminister Jens Spahn hat Sonnenbrand, knallrote Stirn, knallroter Hals und knallrote Nase. Dat geht doch gar nicht. Wahrscheinlich wollten Spahn und Mann den Beleg dafür liefern, dass es auch in Bayern schön sonnig sein kann, aber doch bitte nicht so. Das sind Top-Fotos für den Pschyrembel.”

“Ein Sonnenbrand kann doch jedem passieren”, sage ich leise.

“Ja, aber doch nicht dem Bundesgesundheitsminister. Der Mann ist doch ein Vorbild, was eine gesunde Lebensweise angeht.”

“Ich kann das so aber nicht in meinen Blog setzen.”

“Zu Zwecken der Aufklärung”, sagt die Frau Keuner. “Als Diashow. Jetzt guck dir bitte das Foto von 2023 an. Das haben Profis gemacht. Mittlerweile hat der Spahn kapiert, dass man als Spitzenpolitiker nicht einfach ein Selfie schicken kann, nicht mit Sonnenbrand und schon gar nicht, wenn der Bundesrechnungshof auf der Matte steht. Das ist jetzt zwei Jahre her, niemand erinnert sich mehr. Sind ja zu viele verstrickt.” Die Frau Keuner trinkt noch einen großen Schluck Bier.

“Ich vermute, dass der Jens Spahn für das Selfie damals einen richtigen Anschiss gekriegt hat. Deshalb musste sich der Spahn einer Styling-Beratung unterziehen. Die Profis haben das Bild aus dem Jahr 2021 genau analysiert. Der Fotograf hat Spahn und Funke aus der prallen Sonne geholt und in den Halbschatten gestellt. Beide Männer tragen jetzt Sonnenbrillen. Das Bild ist auch nicht während einer Wanderung aufgenommen worden, sondern danach. Im Jahr 2023 haben sich die Jungs den Schweiß abgewaschen. Die Klamotten sind nicht mehr schweißgetränkt, sondern sauber. Man sieht, wie die Männer duften. Und da ist noch was.”

“Das Büschel auf Spahns Stirn? So kommt er seriöser rüber.”

“Das auch”, sagt die Frau Keuner. “Aber guck mal auf Spahns Hals. Genau da, wo der Spahn im Jahr 2021 Sonnenbrand hatte, ist zwei Jahre später der Hemdkragen hochgeklappt. Ganz schön schlau.”

“Jau.”

“Strammer Max für Markus” ODER “Aus Schnee von Vorgestern kann man keine g’führige Piste mehr bauen” – Eine Begegnung mit der Frau Keuner

“Tach”, sacht meine Nachbarin, die Frau Keuner. Ich bin gerade im Vor-Gärtchen, um Unkraut zu zupfen, da steht die da, hält sich am Gehwagen fest und grinst.

“Tach auch”, sach ich. “Aber ich hab unangekündigten Besuch nicht so gerne.”

“Da solltest du dich in deinem Alter aber langsam drauf einstellen”, sagt die Frau Keuner. “Watt kütt, dat kütt, und zwar oft ohne Anmeldung. Ich sach dir, die Marianne vom Bahnwärterweg, die hatte einen Infarkt. Wie die reanimiert wurde, da hat die sich gesacht: Ich kann noch nich gehen, wie sieht denn die Bude aus? Da is weder aufgeräumt noch geputzt, ich brauch noch wat Zeit. Und jetzt ist die gesund, hat aber einen Putzfimmel. Im Nachhinein sacht die sich: Der Tod hat nur angeklopft, um zu sagen: Marianne, lass deine Bude nich so vergammeln.”

“Welche Marianne vom Bahnwärterweg?”

Die Frau Keuner zuckt die Achseln. “Wurde mir so erzählt. Ich kenn die nicht persönlich. Könntest du mir bitte mal einen Sitzplatz anbieten? Sach mal, hast du die Stühlchen etwa schon für den Winter parat gemacht? Hömma, Lisa, du hast wohl Angst, dass sich eine Gruppe Öko-Touristen in die autofreie Siedlung verirrt und bei dir vorm Haus picknickt. Ich sach dir, die lassen sich nicht davon abhalten, auch wenn die Stühlchen zusammengeklappt sind.”

“Quatsch”, sage ich und klappe der Frau Keuner ein Stühlchen auf.

“Alles Männer, früher lief sowat unter Kegelverein.” Die Frau Keuner setzt sich leicht ächzend. “Da kannst du noch froh sein, dass es Öko-Touristen aus Baden-Württemberg sind, die nehmen ihre Abfälle wieder mit. Alles kann man natürlich nicht wieder mitnehmen. Irgendwann schellt einer aus der Gruppe an und fragt, ob er mal bei dir aufs Klo kann. Und du traust dich nicht, nein zu sagen. Leider hast du das Klo seit drei Wochen nicht mehr geputzt. Du kannst dem Öko-Touristen ja sagen, dass du nicht geputzt hast, weil du Wasser sparen wolltest. Da hat der Verständnis für. Und wat macht der Ökotourist? Zieht nicht ab. Könnte ja noch ein anderer aus der Gruppe aufs Klo wollen.” Kurze Redepause, sehr kurz.

“Und dann passiert ein Malheur”, sagt die Frau Keuner. “Einer aus der Gruppe hat Durchfall und schafft es gerade noch so aufs Klo. Und du, du bist so freundlich, dem anzubieten, bei dir zu duschen. Du hättest sogar ein sauberes Handtuch für ihn. Doch leider hört der Mann nicht auf dich, denn er ist ein Anhänger von Winfried Kretschmann. Du kennst doch den Kretschmann?”

“Natürlich kenn ich den. Der Winfried Kretschmann ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg und hat mit dem Markus Söder zusammen schon im November 2021 für die allgemeine Corona-Impfpflicht plädiert. Und das zu einem Zeitpunkt, als allmählich klar wurde, dass es eine neue, harmlosere Corona-Variante gibt, gegen die in keinem Fall massengeimpft werden dürfte. Seitdem weiß ich, wie gut CSU und GRÜNE zusammenpassen. Wenn der Kretschmann redet, hör ich nicht mehr hin.”

“Nicht hinhören ist ein Fehler”, sagt die Frau Keuner. “Für jüngere GRÜNE ist der olle Kretschmann ein Öko-Vorbild, auch für den Habeck. Ich sage dir, wenn du gelesen hättest, was der Kretschmann zum Energiesparen gesagt hat, wärest du gewarnt gewesen. Der Kretschmann hat ein Elektroauto und auf seinem Dach eine riesige Fotovoltaikanlage. Seit die Kinder aus dem Haus sind, heizen die Kretschmanns in der Regel nur noch ein Zimmer. Duschen tun die auch nicht so oft.”

“Das ist doch nicht unvernünftig”, wende ich ein.

“Der Kretschmann ist ein Saubermann”, sagt die Frau Keuner. “Und weißt du, was der Kretschmann wörtlich gesagt hat? … ‘Auch der Waschlappen ist eine brauchbare Erfindung.’ Klingt schlau. Das Problem ist nur, dass ein gebrauchter Waschlappen gründlich gewaschen werden muss. Im Waschlappen bleibt hängen, was beim Duschen im Abfluss verschwindet. Lisa, du wirst doch irgendwo noch einen Waschlappen haben.“

“Für den Ökotouristen?”, frage ich leise.

“Der hat eigene dabei”, sagt die Frau Keuner. “Das Problem ist nur, dass der Ökotourist die Waschlappen nicht feucht in den Rucksack packen kann. Also lässt er sie da, und zwar für deine nächste 60°-Wäsche. Seine olle Unterbuxe kommt auch noch dazu, denn er hat frische Wechselwäsche dabei. Kann eine Weile dauern, bis die Maschine voll ist, aber der Öko-Tourist ist ein alleinstehender Rentner mit Senioren-Bahncard und 49-Euro-Ticket. Der kommt wieder. Ich sach dir, Turteln ist ziemlich unromantisch, wenn man über 60 is.”

“Turteln?”, sage ich leise. “Auch das noch.” Ich klappe einen zweiten Stuhl auf und setze mich..

“Lisa,” fängt die Freu Keuner wieder an, “sei froh, dass du keine wichtige Person bist und nur ein ömmeliges Reihenhaus hast. Als der Jens Spahn noch in seiner Dahlemer Villa gewohnt hat, standen ständig die Gaffer vorm Haus. Ich meine, wie konnte der Mann so naiv sein zu meinen, dass die Leute Beifall klatschen, wenn sich der Bundesgesundheitsminister im Sommer 2020 eine Fünf-Millionen-Euro-Villa für den Luxus-Lockdown kauft, während sich die Menschen in ihren kleinen Wohnungen auf der Pelle hängen. Und wie kann der Jens Spahn so doof sein, ein Paket anzunehmen, wo kein Absender draufsteht. Da kann doch nur Kacke drin sein.”

“Bah!”

“Genau”, sagt die Frau Keuner. “Aber im Wahlkampf machen die Politiker dann auf Piep, piep, piep – Wir haben uns alle lieb. Wie der Jens Spahn vor zwei Jahren. Da hat er mitten im Bundestags-Wahlkampf auf Instagram ein Urlaubs-Selfie gepostet, und zwar vom Tegernsee. Guck es dir im Internet an, im Vordergrund sieht man Jens Spahn und Mann und im Hintergrund eine Berglandschaft. Die Schlagzeile auf rtl.de war, Moment… ” Die Frau Keuner kramt einen Zettel aus der Jackentasche. “Also, die Schlagzeile war: Jens Spahn (CDU) schickt Grüße aus dem Liebesurlaub in den Bergen. Ist das nicht promi-primitiv? Ich sach dir, im Anschluss an die Nachricht vom Liebesurlaub in den Bergen hat der Spahn noch mehr Pakete ohne Absender gekriegt. Ich schick dir den Link, denn den brauchst du noch.” https://www.rtl.de/cms/jens-spahn-sendet-urlaubsgruesse-gesundheitsminister-mit-ehemann-am-tegernsee-4809772.html

“Wieso brauch ich den Link?”

“Für den Blog-Beitrag, den du schreibst”, sagt die Frau Keuner. “Ich bin übrigens für die gleichgeschlechtliche Ehe. Das Problem ist nur, dass die gleichgeschlechtlichen Promi-Ehepaare in aller Regel genauso spießig sind wie die heterosexuellen. Vor allem die von der CDU. Ich sehe da eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Pärchen Jens und Daniel und dem Pärchen Hannelore und Helmut. Die Kohls sind ja auch immer in die Berge gefahren. An den Wolfgang-See in Österreich, und der Helmut Kohl wollte nie mit der Familie alleine sein, der wollte die Presse immer dabei haben… Hömma, Lisa, wat sitzt du da die ganze Zeit so doof rum? Hast du wohl mal bitte ein Kissen für mich?”

Ich gehe ins Haus und hole ihr eins. “Für die Hannelore Kohl muss das entsetzlich gewesen sein”, sagt die Frau Keuner. “Wo sie doch unter einer Lichtallergie litt. Licht ist aggressiv, wenn es zu viel wird, vor allem das Licht der Öffentlichkeit… Aber da will ich gar nicht dran denken.” Die Frau Keuner seufzt, aber dann lächelt sie und singt: “Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein…” Summt, guckt selig. Das Summen geht in ein Brummen über und dann in ein leises Schnarchen.

“Frau Keuner?”

“Schon gut”, sagt die Frau Keuner und gähnt. “Wo war ich noch. Also… Erinnerst du dich noch an die weltweite Reisewarnung vom Auswärtigen Amt, als sie wegen Corona die Grenzen dichtgemacht haben? Das war im Frühjahr 2020. Da hatte der Markus Söder Angst, dass der bayrische Tourismus zusammenbricht. Der Söder hat damals einen kernigen Satz gesagt, der auch noch lustig sein sollte, von oben herab, der Söder kennt ja nur die eine Richtung… Moment, ich muss den noch zusammenkriegen… Also: “Wer Österreich genießen will, der kann das auch in Bayern tun.” Wäre ich eine österreichische Hotelkraft, wäre ich schwer bedient gewesen, aber die Österreicher haben sich angeblich geschmeichelt gefühlt. Is ja klar, jedes Land will heute Genießerland sein. Is ja auch lecker da. Kennst du Frittatensuppe?” Ich schüttele den Kopf.

“Du kannst in Bayern keinen Österreich-Urlaub machen”, fährt die Frau Keuner fort. “Doch bei der Frittatensuppe geht das, die kannst du auch in Bayern kochen, sogar vegetarisch. Aber einer wie der Söder wird unruhig, wenn er kein Fleisch kriegt. Der braucht ein ordentliches Stück Fleisch im Bauch. Das sättigt nicht nur, das macht stark. Fleisch ist angeblich auch gut für die Wehrkraft. Deshalb hat der Markus Söder im Frühjahr 2022 ein großes Weißwurst-Frühstück für US-amerikanische Soldaten veranstaltet. Moment, ich kann den Twitter-Text nicht auswendig.”

Die Frau Keuner holt einen weiteren Spick-Zettel aus der Jackentasche und faltet ihn auseinander: “Ich muss mich jetzt zusammenreißen, denn ich esse dermaßen gerne Weißwürste. Wenn ich beim Reden kurz pausiere, liegt das daran, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft.” Die Frau Keuner stockt, schluckt und redet dann weiter. “Aber die Weißwürste, die man in Köln kaufen kann, haben keine richtige Pelle mehr. Dat beißt sich nicht nur wie Bockwurst, dat bricht sich auch wie Bockwurst.” Die Freu Keuner seufzt. “Die Pelle von der echten Weißwurst ist so derb, dass man die Wurst nur biegen kannst.”

Die Frau Keuner stockt, schluckt und redet dann weiter. “Also, auf dem offiziellen Twitter-Account vom Markus Söder steht am 11. März 2022: ‘Größtes Weißwurst-Frühstück in Bayern: US-Soldaten verteidigen unsere Demokratie auf der ganzen Welt. Dafür danken wir herzlich mit bayerischen Spezialitäten auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Wir sind verlässliche Partner und stehen vereint zusammen für Frieden und Freiheit.` Das war nur wenige Wochen nach Beginn des Kriegs in der Ukraine, die USA hatten schon mächtig viel Geld in den Irrsinn gepumpt.”

“In der Weißwurst, die man hier kaufen kann, ist kaum noch Petersilie drin”, sage ich leise.

“Darf auch nicht zu viel drin sein”, sagt die Frau Keuner. “Auf Twitter kannst du dir die Fotos vom Weißwurst-Frühstück angucken, da steht der Söder für Weißwürste an, natürlich an vorderster Front. Und er trägt eine FFP2-Maske, was in dem Zusammenhang schon ein bisschen unpassend ist. Nach dem Motto: Ungeschützt im Schützengraben? Nie wieder! Ich versteh aber schon, dass der Söder maskiert war.”

“Warum?”

“Ich würde auch eine Maske tragen, wenn ich Politiker wäre und meine Ehefrau wäre nicht nur seit Ende 2020 Schirmherrin über die berittenen Einheiten der Bayerischen Polizei, sondern auch eine erfolgreiche bayrische Unternehmens-Erbin und Unternehmerin, die versucht hat, mit Corona-Masken zu handeln. Die Frau Baumüller-Söder hat ja angeblich beste China-Kontakte. Da gab es einen erhellenden Artikel im Merkur. Moment… Ich geb dir den Link. Aber die Karin Baumüller-Söder hat immer betont, dass sie mit der Masken-Beschaffung keine Geschäfte machen wollte, sondern nur helfen. Is dat nich lieb?” Ich nicke. https://www.merkur.de/bayern/nuernberg/ehefrau-karin-baumueller-corona-masken-deals-ffp2-csu-bayern-soeder-91483544.html

Die Frau Keuner lacht. “Lisa, lies bitte die Kommentare, die unter dem Artikel stehen. Manche sind ja kritisch, aber andere… Verstehst du die Sprache? Weißt du, was eine g’führige Piste ist? Was sagst du zu diesem Kommentar? Aus Schnee von Vorgestern kann man keine g’führige Piste mehr bauen…

“Was das Skifahren angeht, bin ich leider unsportlich”, antworte ich.

“Nicht nur, was das Skifahren angeht”, sagt die Frau Keuner. “Ich hab dich kürzlich an der Tischtennis-Platte gesehen. Schon mal wat von Rückhand gehört?”

“Aber das war ich nicht! Ich spiele schon seit Jahren kein Tischtennis mehr.”

“Dann war das eben deine Doppelgängerin”, sagt die Frau Keuner. “Je älter man wird, desto mehr Doppelgängerinnen hat man. Aber du solltest wirklich an deinem Outfit feilen. Guck dir den Söder an, der sieht immer gut aus, nicht nur wegen der Landtagswahl im Oktober. Und er hat einen gesunden Appetit. Kennst du den Hashtag #Söderisst?” Ich schüttele den Kopf.

“Söders Lieblingsgerichte sind Nürnberger Rostbratwürste und Kalbskopf mit Kartoffelsalat”, sagt die Frau Keuner. “Den Kalbskopf hat die Mutter Söder immer für den Markus gekocht. Für den Hashtag macht er die Fotos selber, auch die vom Kalbskopf, aber an die eigene Visage lässt er nur Profis ran. Da gab es jetzt diesen Skandal. Der Söder ist ja wirklich fotogen, volle Haare, gute Figur, stattliche Erscheinung, markante Züge, grimmiger Blick. Dass der Bayrische Ministerpräsident fotografiert wird, ist ja normal, aber während seiner Amtszeit haben sich die Ausgaben für Fotos vervielfacht. Dat sind Steuergelder, geht gar nicht.” https://www.welt.de/politik/deutschland/article246678732/Markus-Soeder-Fotos-von-Bayerns-Ministerpraesident-kosten-Steuerzahler-220-000-Euro.html

“Lisa, magst du Strammer Max?”

“Ja”, sage ich. “Wenn der nicht ganz so stramm ist, ohne Schinken, mein ich.”

“Ohne Fleischteil ist dat aber nach Meinung von Markus Söder kein Strammer Max mehr”, sagt die Frau Keuner. “Ende April 2022 war auf #Söderisst ein kompletter Strammer Max abgebildet, mit Käse und Schinken. Und wie nennt der Söder das Tellergericht, das er serviert kriegt? Strammer Max für Markus. Kannst du so in die Suchmaschine eingeben. Da redet ein Ministerpräsident von sich selber in der dritten Person. Ist das nicht peinlich? Die Food-Fotos hat der Söder alle selber geknipst. Aber guck dir mal Strammer Max für Markus an: Ich sage dir, die Spiegeleier waren definitiv zu lange in der Pfanne, das Eiweiß ist porös und leicht angebacken, das Häutchen über dem Eigelb ist schon ledrig, der Schinken ist billiger Pressschinken und der Käse abgepackter Allgäuer Emmentaler, und dann steht im Hashtag nicht einmal, wo der Söder das fotografiert hat.” Die Frau Keuner hält mir ihr Smartphone hin.

“Viel sehe ich ohne Lesebrille nicht”, sage ich. “Aber dieser Stramme Max für Markus sieht kaltgeworden aus. Geht schnell bei Ei.”

“Sach, Lisa, du kennst dich doch ein bisschen aus. Woher kommt der Ausdruck Strammer Max?” Ich zucke die Achseln, aber die Frau Keuner gibt Strammer Max bei Wikipedia ein, fängt an zu lachen, prustet, grunzt. “Dat darf doch nicht wahr sein.”

“Was steht denn da?”, will ich wissen, geh ins Haus und schnapp mir die Lesebrille. “Kann ich wohl mal gucken?”

Die Frau Keuner reicht mir ihr Smartphone: “… Der Ausdruck Strammer Max wurde um 1920 im Sächsischen mit der Bedeutung „erigierter Penis“ gebildet und anschließend auf das Gericht übertragen, wohl weil es ein besonders „kräftigendes“ belegtes Brot ist…” https://de.wikipedia.org/wiki/Strammer_Max

“Jetzt tut mir der Markus Söder fast schon wieder leid”, sage ich.

“Der muss dir nicht leid tun”, sagt die Frau Keuner. “Der Söder betrachtet Bayern als sein persönliches Familienunternehmen.”

“Aber das darf doch nicht passieren. Warum sagt ihm das denn keiner?”

Die Frau Keuner grinst: “Dass Strammer Max eigentlich Strammer Schwanz heißt? Es ist, wie es ist. Der Söder hat Strammer Schwanz für Markus bestellt.”

“Pst”, jammere ich. “Der Markus Söder muss Strammer Max für Markus sofort von seinem Hashtag #Söderisst? runternehmen. Der macht sich doch lächerlich.”

“Der Markus Söder soll sich ruhig so zeigen, wie er ist und frisst, denn so geht das nicht weiter. Was bildet sich der Mann eigentlich ein? Wer Österreich genießen will, der kann das auch in Bayern tun... Das erinnert mich an die DDR-Staatsführung. Weißt du, was die damals zu den DDR-Bürgern gesagt haben? ‘Wenn es euch auch nach Italia zieht, dann seid ihr mit Eforie Nord doch viel besser bedient.’ Die SED-Elite war eine geschlossene Gesellschaft. Die Bonzen waren damals schon so schlau, fernab vom Massentourismus auf der Ostsee-Insel Vilm Nobel-Urlaub zu machen. Das Volk ist währenddessen zum Schwarzen Meer gefahren und hat in den Trabis geschlafen. Gardinen vorm Autofenster. Die Hotels waren für die Westdeutschen reserviert. Die hatten ja West-Mark. Wenn ich DDRlerin gewesen wäre, hätte ich die Wessis dermaßen gehasst.”

“Ich hätte uns nicht gehasst, aber fürchterlich gefunden”, sage ich.

“Die haben uns damals schon gegeneinander ausgespielt”, sagt die Frau Keuner. “Und wie gehen die Politiker mit unserem Geld um? Als der Jens Spahn im Jahr 2021 seinen Liebesurlaub gemacht hat, stand der schon sehr unter Druck. Der hatte ja ohne Ende auf dicke Hose gemacht und vom Bundesrechnungshof einen Anschiss gekriegt. Die haben dem Gesundheitsministerium Geldverschwendung vorgeworfen, du erinnerst dich vielleicht, da ging es um die Beschaffung von Schutzmasken. Spahns Ministerium hatte viel zu viele Masken bestellt und dann nicht bezahlt. Das ist so primitiv, dass da keiner drauf kommt.”

Die Frau Keuner macht eine kurze Pause und redet dann weiter. “Schon im Frühjahr 2021 hatte der Unternehmer Walter Kohl, CDU, Sohn vom Helmut Kohl, CDU, das Bundesgesundheitsministerium verklagt. Der Skandal ist ja nicht nur, dass die Masken nicht bezahlt wurden, sondern dass ausgerechnet der Sohn vom Kohl den Großauftrag hatte. Und jetzt gib bitte bei Google “Maskendeals” ein. Dann siehst du, wer da alle beteiligt war. Eine einzige Vettern- und Ehegattenwirtschaft. Die meisten aus dem Umkreis von CDU/CSU. Alfred Sauter und Georg Nüßlein, Andrea Tandler, Tochter vom ehemaligen CSU-Generalsekretär Gerold Tandler u.u.u. Die Burda GmbH hat mehr als eine halbe Million FFP2-Masken an das Bundesgesundheitsministerium verkauft. Und wer leitet die Burda-Repräsentanz in Berlin? Daniel Funke, der Ehemann von Jens Spahn.”

“Ich hab noch paar Masken übrig”, sage ich. “Rosa”.

“Die kannst du wegschmeißen”, sagt die Frau Keuner. “Angeblich taugen die alle nicht mehr. Im Juni habe ich gelesen, dass 755 Millionen Schutzmasken vernichtet werden müssen. Dabei haben sie von Anfang an versucht, den Maskenkonsum ankurbeln, um die teuer bezahlten Dinger irgendwie loszukloppen. Das war dermaßen primitiv. Und wie sie die älteren Menschen veräppelt haben. Weißt du noch, da haben alle gesetzlich Krankenversicherten über 60 einen Brief von der Bundesregierung gekriegt, im Januar 2021. Vielleicht erinnerst du dich, dieses Schreiben, wo stand, dass alle über 60 ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Die Bundesregierung hat behauptet, dass sie uns schützen will. Und dann hat da gestanden, dass man bis zum 6. Januar drei Masken mit hoher Schutzwirkung kostenlos kriegt. Der Brief war undatiert, und da stand nicht einmal ein Neujahrsglückwunsch drunter. Das hat mich stutzig gemacht. Das Schreiben war halbseiden und primitiv, die Absende-Adresse war München-Flughafen.”

Für mich gibt es kein Halten mehr. Ohne Rücksicht auf Baden-Württemberger Ökotouristen oder andere Passanten tanze ich im Sitzen, ich bewege mich wie blöd und und singe eine Melodie, die mir einfach so kommt. Da Da Da Da Da …. Da Da Da Daaaaa.

Die Frau Keuner strahlt und reckt den Daumen. “Boah, Lisa, dat ist aus den späten 60ern und die alte Erkennungsmelodie von… Wie hieß die Sendung noch?”

Aktenzeichen XY… ungelöst“, sage ich. “So heißt die immer noch.”

“Dieser Fall ist längst gelöst”, sagt die Frau Keuner. “Nur hat das keine Konsequenzen. Die Masken-Deals gelten als Kavaliersdelikte. Sauter und Nüsslein dürfen sogar ihre fetten Provisionen behalten. Die sahnen ab, aber für uns gibt es nicht einmal den versprochenen Trostpreis. Knausrig waren die auch noch. Der Brief von der Bundesregierung ist erst Mitte Januar angekommen, da waren die kostenlosen FFP2-Masken längst weg. Wenn es die je gegeben hat. So lockt man die älteren Menschen in die Apotheke. Leider war ich so wütend, dass ich den Brief weggeschmissen hab.”

“Ich hab den Brief auch erst Mitte Januar gekriegt”, sage ich. “Das war auch zu spät fürs Lockangebot. Aber ich hab den Brief aufbewahrt. Für meinen Blog.”

“Hui”, macht die Frau Keuner. “Ich bin jetzt mal kurz weg. Aber heute Abend komm ich wieder. Und du hast bis dahin Kölsch besorgt und kalt gestellt. Und brat mir bitte paar Buletten. Dass du das Beweismaterial noch hast, dieses unseriöse Schreiben von der Bundesregierung.”

Ich wusste nicht, dass sie dazu in der Lage ist, aber die Frau Keuner lächelt. “Lisa, ich liebe dich.”

Das KLEINE TEUFELCHEN auf Katharina Witts Schulter: “Willkommen zurück in der DDR”

Auf Anordnung der britischen Besatzungsbehörde waren im Bottroper Elternhaus meiner Mutter, das später auch mein Elternhaus werden sollte, nach dem Krieg Soldaten einquartiert. Später zog eine dreiköpfige Familie ein, die bei einem Bombenangriff ihre Wohnung verloren hatte. Der Familienvater war ein traumatisierter Augenarzt, der schwer verletzte Soldaten hatte behandeln müssen, darunter viele “Kriegsblinde”.

Meine Mutter, die 1925 geboren wurde, war seelisch verwundet. Ihr einziger Bruder, ein Theaterwissenschaftler, war als Propaganda-Soldat unter nicht geklärten Umständen ums Leben gekommen. Meine Mutter hat den Tod ihres Bruders, der neun Jahre älter war, nie verwunden. Da man seinen Leichnam nicht fand, verlor sie nie die Hoffnung, dass er nach Hause kommen könnte. Aber wer würde ihm mitten in der Nacht die Tür aufmachen?

Meine Mutter konnte ein Leben lang nicht mehr ruhig schlafen und nahm schon in jungen Jahren Schlaftabletten – Ende der 1950er Jahre auch das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan. Beide Schwestern meiner Mutter hatten Pharmazie studiert, beide waren mit Ärzten verheiratet, so dass meine Mutter immer gut informiert war. Elisabeth, die mittlere der Schwestern, hatte als Apothekerin die Familie ernährt, solange ihr Mann, mein späterer Patenonkel, noch in der Ausbildung war. Ich weiß nicht, ob meine Tante, ein sehr gewissenhafter Mensch, meiner Mutter Contergan empfohlen hat, aber ich kann es mir gut vorstellen. Die Apothekerinnen und Apotheker waren ja selber, auch als die verheerenden “Nebenwirkungen” offenkundig wurden, vom Pharma-Unternehmen Grünenthal belogen und wider besseres Wissen zu Mittätern gemacht worden.

In der Nachkriegszeit machte die Pharmaindustrie mit der seelischen Not der Menschen große Geschäfte. Freiverkäufliche Schlaf- und Schmerzmittel fanden einen reißenden Absatz. “Das Schlafmittel Contergan war vom Pharmakonzern Grünenthal als “sicher” auf den Markt gebracht, von den Ärzten als “sicher” empfohlen und von den Apotheken als “sicher” verkauft worden. Unter den schwangeren Frauen, die es nahmen, waren viele, die den Zweiten Weltkrieg mit seinen entsetzlichen Bombennächten als Kinder oder Jugendliche miterlebt hatten und ihr weiteres Leben lang unter massiven Schlafproblemen leiden sollten. Als Contergan 1957 auf den Markt kam, unterschätzte man (und ignorierte man lange) die möglichen “Nebenwirkungen”, so dass Contergan nicht einmal rezeptpflichtig war.https://stellwerk60.com/2020/06/11/elfchen-im-sechsten-die-apotheke-hilft/

Gerne wird verschwiegen, dass Grünenthal seinen Verkaufsschlager Contergan einem Mann mit Nazi-Vergangenheit zu “verdanken” hatte, dem deutschen Mediziner, Pharmakologen und Chemiker Heinrich Mückter (1914-1987). Mückter, der bei Grünenthal wissenschaftlicher Direktor war, hatte in der NS-Zeit menschenverachtende medizinische Experimente durchgeführt, worüber Grünenthal informiert gewesen sein dürfte, auch darüber, dass Mückter nur durch eine Flucht in die westlichen Besatzungszonen einer Verhaftung hatte entgehen können.

Erfunden wird der Contergan-Wirkstoff Thalidomidin der Forschungsabteilung der Firma, deren Leiter Heinrich Mückter auch am Gewinn des patentgeschützten Produkts beteiligt ist. Dass ihm die polnische Justiz medizinische Experimente an KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern während der NS-Zeit vorwirft, schadet Mückters Nachkriegskarriere nicht.https://www1.wdr.de/archiv/contergan/contergan166.html

Vielleicht war es nicht im Interesse der Bundesregierung, später noch einmal genauer nachzuforschen, denn das westliche Nachkriegs-Deutschland verdankte ausgerechnet Mückter den “freien Zugang” zum Penicillin. Ende der 1940er Jahre hatte Grünenthal als erstes deutsches Unternehmen Penicillin-Präparate auf den Markt gebracht, dank Mückter. Woher auch immer er die Penicillin-Stämme hatte, “auf legale Weise hätte er sie nicht erwerben können, denn die westlichen Besatzungsmächte hatten Forschung an und Herstellung von Penicillin durch deutsche Unternehmen strikt verboten. Mückter setzte sich über dieses Verbot hinweg und erschlich sich im Januar 1948 unter falschen Angaben bei der britischen Militärregierung die Erlaubnis, mit Penicillin zu experimentieren… Der Frage, wie Mückter damals in den Besitz von Penicillin-Stämmen gekommen war, verweigert sich die Firma bis heute.https://www.spiegel.de/geschichte/braune-vorgeschichte-a-948837.html

(Kleiner Einschub: Denkbar ist, dass es einen Ost-West-Deal gegeben hat und die enge Zusammenarbeit zweier zwar “hochkarätiger”, aber schwer belasteter Wissenschaftler. Das ostdeutsche Pendant zu Heinrich Mückter war der fast gleichaltrige Arzt und Mikrobiologe Hans Knöll (1913-1978). Knöll, der als junger Student im Jahr 1932 Mitglied der NSDAP geworden war und der paramilitärischen NSDAP-Kampforganisation SA beitrat, hatte ab 1938 im Jenaer Glaswerk Schott & Gen. ein bakteriologisches Labor aufgebaut. Nachdem ein britisches Forscherteam 1939 den Wirkstoff Penicillin hatte isolieren können, gelang es Knöll im Jahr 1942, aus Penicillin-Stämmen das Antibiotikum zu gewinnen.

Als die Militärverwaltung der SBZ nach dem Krieg die rasche Ausweitung der Produktion befahl, hatte Knöll trotz Nazi-Vergangenheit eine tragende Rolle inne. Unter anderem waren es Knölls umfassende wissenschaftliche Kenntnisse, die der SBZ einen komfortablen Vorsprung gegenüber den westlichen Besatzungszonen sicherten. Ungeachtet seiner NS-Vorgeschichte wurde Knöll im Jahr 1950 erster Direktor des volkseigenen Pharmaunternehmens VEB JENAPHARM. https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Kn%C3%B6ll)

Der oben zitierte Spiegel-Artikel von Armin D. Steuer mit dem Titel “Der Contergan-Erfinder” bringt nicht nur wesentliche Details ans Licht, sondern erinnert auch an die zynische, modern anmutende Werbestrategie des Unternehmens Grünenthal, das es wagt, ausgerechnet mit Mozarts “Kleiner Nachtmusik” für das Schlafmittel zu werben und sich damit auch noch einen seriösen, bildungs- und kulturbeflissenen Anstrich zu geben. “In seinen besten Zeiten bescherte Contergan der CG knapp die Hälfte des Umsatzes. In Zeitungen schaltete die Firma Anzeigen mit der Partitur von Mozarts “Kleiner Nachtmusik” – Contergan sei so harmlos wie Zucker.

“Totalitarismus” bezeichnet nicht nur die totale politische Herrschaft über unsere Köpfe, sondern auch die Okkupation unserer Körper. Im Visier der Nationalsozialisten waren die Familien, insbesondere aber Frauen und Kinder. Daher versuchten die Nazis, Mutterliebe, Schwangerschaft und Geburt unter staatliche Kontrolle zu bringen. Während sie “erbkranken Nachwuchs” zur Vernichtung freigaben, erhoben sie das Kinderkriegen zur soldatischen Pflicht der “arischen” Frau. Je mehr Kinder sie bekam, desto ranghöher war die Frau. Belohnt wurden die Mütter mit dem Mutterkreuz, das an militärische Orden, aber auch an olympische Medaillen erinnerte. Das Kreuz in Bronze gab es bei vier und fünf Kindern, das silberne bei sechs und sieben und das goldene bei mehr als acht Kindern.

Die Mutterkreuze wurden einmal im Jahr verliehen – am Muttertag. Mit der Machtergreifung im Jahr 1933 hatten die Nazis den Muttertag zum gesetzlichen Feiertag erhoben und ins Zentrum ihrer Propaganda gerückt. Meine Mutter liebte Feste, aber sie war außerstande, noch jemals den Muttertag zu feiern. Wenn wir Kinder ihr Geschenke machten, konnte sie sich nicht freuen. In Erinnerung an die Nazi-Zeit empfand meine Mutter den Muttertag, auch wenn sie den Ausdruck nie benutzte, als “Verhöhnung” der Frau. Erst vor wenigen Jahren habe ich realisiert, dass meine Mutter den Muttertag deshalb so vehement ablehnte, weil sie -anders als wir Kinder- über den grausamen Tod der Mutter meines Vaters im Jahr 1933 Bescheid wusste. https://stellwerk60.com/2021/12/13/13-12-2021-digitaler-stolperstein-zur-erinnerung-an-meine-grossmutter-steffi/

(Auch heute noch wird mit dem Muttertag Politik gemacht. Daher möchte ich noch einmal an den ersten Corona-“Lockdown” im Frühjahr 2020 erinnern. Für den autoritären, selbstherrlichen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder war der Muttertag 2020 eine gute Gelegenheit, mit großer Geste Lockerungen zu verkünden und sich als Menschen- und Mütterfreund zu präsentieren: “Einen klaren Fahrplan der Lockerungen gibt es in Deutschland und Bayern allerdings noch nicht – kurzfristige Maßnahmen sind möglich. Und am Beispiel des kommenden Muttertags wohl auch durchaus erwünscht! Besuche sollten möglichst im Freien stattfinden, es müsse eine Maske getragen und Abstand gehalten werden, sagte Ministerpräsident Dr. Markus Söder… Ihm sei es wichtig, so der Ministerpräsident, zum bevorstehenden Muttertag wieder Besuchs-Möglichkeiten für Mütter und Großmütter zu schaffen. Das Menschliche müsse im Vordergrund stehen, und deshalb sei ihm der familiäre Bereich besonders wichtig.”) https://www.meine-anzeigenzeitung.de/lokales/freising/muttertag-2020-13755180.html

Meine Mutter, ein großzügiger, neugieriger Mensch, hatte gerne Menschen um sich. Nach dem entsetzlichen Krieg waren für sie Freundschaft und Verwandtschaft überlebensnotwendig. Sie pflegte althergebrachte Verwandtschaften und stiftete neue, indem sie ihre besten Freundinnen zu Schwestern erklärte. Da aber kein Mensch 13 oder mehr Schwestern haben konnte, nannte meine Mutter ihre Wahl-Schwestern “Kusinen”.

Eine dieser Kusinen, eine Jugend-Freundin meiner Mutter und ihrer Schwestern, hatte es nach Leipzig verschlagen: Mia. Gemeinsam mit ihren Schwestern besuchte meine Mutter sie einmal im Jahr. Ab Ende der 1970er Jahre waren auch meine Zwillingsschwester und ich dabei. Wir waren nach Köln gezogen, studierten Geisteswissenschaften und konnten uns die Zeit selber einteilen.

Für uns junge Menschen waren die Kurz-Reisen exotische Trips in ein anderes Deutschland. Für unsere Mutter und unsere Tanten jedoch waren es keine exotischen Trips, sondern immer auch Reisen in die Vergangenheit. Eine Zitterpartie war jedes Mal das Passieren der Grenze bei Herleshausen. Meine Mutter, die es immer geschafft hat, Menschen durch ein paar muntere Sprüche zum Lachen zu bringen, entlockte den Grenzsoldaten trotz vielfacher Bemühungen nicht einmal ein Lächeln. Vgl.: https://stellwerk60.com/2019/08/11/die-broiler-bruederschaft/

Meine Mutter, die ungern diskutierte, beteiligte sich auch in Leipzig nie an den Gesprächen über Politik, denn sie hatte Angst, abgehört zu werden. Tatsächlich war das Haus verwanzt, was uns Jüngere nicht davon abhalten konnte, relativ offen zu reden. Das war nur deshalb möglich, weil sich die STASI -was unserer Verwandten betraf- ausschließlich für deren Ausreise-Pläne interessierte. Irgendwann lud unser “Vetter” meine Schwester und mich zu einer Stadtrundfahrt ein. Da das Auto abhörsicher war, konnte er uns bei der Gelegenheit in seine Ausreisepläne einweihen.

Unsere jüngeren “Verwandten” waren der DDR gegenüber kritisch, fanden aber die Bundesrepublik großartig. Sie beneideten uns um die “Segnungen des Kapitalismus”, was sie auch offen zugaben. Meine Schwester und ich wussten die Segnungen allerdings kaum zu schätzen und waren “bunte Vögel” für sie. Das Vorurteil bestätigte sich, als wir bei einer Reise Anfang der 1980er Jahre Latzhosen trugen, die Uniform der Alternativbewegten. Es war natürlich bekloppt, dass wir ausgerechnet beim Besuch im Arbeiter- und Bauernstaat Latzhosen anhatten, aber wir waren jung, fühlten uns frei und dachten uns nichts dabei.

Sommer 2022. Elstern-Ästling auf einer Eiche vor der KiTa “Lummerland”, Köln, Lokomotivstraße:

Vögel sind weder fleißig noch faul. Was sie tun, das würden sie nicht “Arbeiten” nennen. Sie leben im Aus-Tausch mit der Natur, sie nehmen sich, was sie vorfinden, Beeren, Körner, Insekten, und geben zurück, was sie hervorbringen: Nachkommen. Sie kommen nicht auf die Idee, die Natur zu verändern, denn sie sind Teil der Natur. Anders als die Menschen würden sie niemals den Ast zerpicken, auf dem sie sitzen.

So wurden meine Schwester und ich nicht ganz ernst genommen, nicht nur wegen der Latzhosen. Unsere jüngeren, gut ausgebildeten “Verwandten” konnten nicht verstehen, dass wir Geisteswissenschaften studierten und nicht einen der Abschlüsse machten, mit denen man im Westen richtig viel Geld verdienen konnte. Vor allem aber hatten sie kein Verständnis dafür, dass meine Schwester und ich die BRD-Politik kritisierten. Schließlich hatten wir alle Freiheiten, vor allem die Eine: Wir konnten jederzeit zurück in den Westen. Wir mussten uns nur ins komfortable West-Auto setzen – und verschwanden hinter dem “antifaschistischen Schutzwall”.

Zurück im Westen, fühlte ich mich nach jeder unserer Reisen wie befreit, ich erfreute mich an den (damals noch) relativ intakten Straßen und gepflegten Häuserfassaden. Ich genoss es, eine Luft zu atmen, die nicht nach Braunkohle und Desinfektionsmitteln roch. Vor allem im Winter war die westliche Welt schön bunt. Ja, ich begann, den Kapitalismus zu lieben. Doch es war nur eine Freude auf den (ersten) Blick, denn bald schon fiel mir auf, dass es die (damals noch) bunten, hochglanzlackierten Autos und die Leuchtreklamen waren, die der westlichen Welt Farbe verliehen. Alles war Tünche und Schöner Schein. Unsere Reise-Erzählungen wollte niemand hören. Die Leute jubelten Wolf Biermann zu, aber kaum jemand interessierte sich für die DDR.

So hielt das Gefühl, auf der richtigen Seite der Mauer zu leben, nie lange an, denn es gab keine richtige Seite. Nach unseren Reisen spürte ich einmal mehr, wie gefährdet unsere Welt und wie fragil unsere Freiheit war. Wir, die wir im Herbst 1981 nach Bonn zur Friedensdemo fuhren, hatten etwas, das den Realpolitikern fehlte: Politische Phantasie. Wir wussten, dass die Motive für die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen weder Friedens- noch Menschenliebe waren. Und wir, die wir Ende Februar 1981 an der verbotenen (und Jahre später “freigesprochenen”) Anti-AKW-Demo in Brokdorf teilnahmen, zweifelten schon Jahre vor der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl an einer “friedlichen Nutzung der Kernenergie”.

Bis vor wenigen Jahren hatte ich nur eine Ahnung davon, wie sich das Leben in der DDR für den einzelnen Menschen angefühlt haben muss. Erst im Zusammenhang mit den autoritären staatlichen Corona-Maßnahmen begriff ich, was es heißt, entmündigt zu werden und ohnmächtig zu sein. Denn während der “Pandemie” erlebten wir Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland am eigenen Leib das respektlose, autoritäre Gebaren einer Obrigkeit, die es sich erlaubt, uns unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes zu bevormunden, sich in unser Leben einzumischen und immer weiter in unsere privaten Räume und in unsere Körper einzudringen.

Endlich hatte ich wieder den Geruch von Desinfektionsmitteln in der Nase:

Anfang März 2021: Ich trage eine Gesichtsmaske und schiebe einen Einkaufswagen vor mir her, dessen Griffe ein Mitarbeiter des Alnatura-Supermarkts desinfiziert hat. Zuvor musste ich mir (viel zu viel!) Desinfektionsmittel in die Hand geben (ach was, schütten!) lassen, sonst wäre ich nicht in den Laden gekommen, biologisch unbedenklich, wie der Mann sagt, zu kaufen bei Alnatura.
In der Gemüse-Abteilung angele ich aus einer Kiste einen feuchten, aber knackig wirkenden Salatkopf. Vorher habe ich mehrere Salatköpfe befingert, wobei ich das Desinfektionsmittel losgeworden sein dürfte. Alle machen es so, im Alnatura und anderswo. Zum Obst muss niemand Abstand halten. Da darf angefasst werden, gegrabbelt, gedrückt und an die Nase gehalten bzw. an den staatlich verordneten “Mund-Nasen-Schutz”.
Ich hole mir ein kleines Stück überteuerten, aber sehr leckeren Weichkäse. Später lege ich die Einkäufe aufs Kassenband. Die Kundin vor mir hat ihre etwa fünfjährige Tochter in den Einkaufswagen gesetzt. Das Kind muss mit einkaufen gehen, denn aktuell ist die KiTa geschlossen. Das Mädchen darf nicht im Laden herumlaufen, aber immerhin hat man ihr die Hände nicht desinfiziert. Irgendwann stellt sich das Kind aufrecht hin, beugt sich über das Kassenband und zückt grinsend den Zeigefinger. Sie hat ein lecker weiches Teil entdeckt, wie bestellt für’s Fingerchen. Die kleine Einbuchtung auf dem Coeur de Paille (s.o.) rührt daher. Nie hat mir ein Loch im Käse so gut geschmeckt.

Die Parallelen zwischen den Entmündigungen in der DDR und den Entmündigungen im Rahmen der bundesdeutschen Corona-Politik sind offenkundig, was sich während der “Pandemie”kaum jemand getraut hat, offen zu sagen. Die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt gehörte im März 2021 zu den wenigen Prominenten, die es wagten, die staatlichen Corona-Maßnahmen mit den Restriktionen in der DDR zu vergleichen:

„’Weitere Freiheitseinschränkungen, Vorgaben, wer wann, wohin, oder überhaupt reisen darf, die existierende festgeschriebene Rechtsstaatlichkeit ausgehebelt und die Unmündigkeit des Volkes, wird unter Vorgabe der Rücksichtnahme festgelegt. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, was man im Namen ‘zum Wohle des Volkes’ so kollektiv, früher im Sozialismus und gegenwärtig im Kapitalismus, in so kleinem Kreise einfach durchsetzen kann!’, so Witt. ‘Ich mag es gar nicht aussprechen, aber ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter flüstert mir fast schelmisch ins Ohr – ‚Willkommen zurück in der DDR‘.“ zit. nach: https://www.morgenpost.de/berlin/leute/article231876279/Katarina-Witt-Facebook-Corona-DDR-Reaktionen.html

Angela Merkel-Elfchen im Dritten: Ich war Pionierin!

Die autoritäre Kinderbetreuung in den DDR-Kinderkrippen und Kindertagesstätten (inklusive Pflicht-Impfungen und regelmäßiger Gesundheitskontrolle) fand in der Schule ihre Fortsetzung. Wollten die Kinder nicht von den Freizeit- und Gruppenaktivitäten ausgeschlossen werden (und welches Kind will das schon?), mussten sie sich den Jungpionieren anschließen. Die Organisation “Die Jungpioniere”, der fast alle Schülerinnen und Schüler vom 1. bis zum 3. Schuljahr angehörten, war Teil der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“.

Ein sprachliches Zeugnis für die Erziehung zur Unmündigkeit sind Die Gebote der Jungpioniere, die dem Schulkind vorschreiben, wie es zu sein hat: Es soll sich anpassen und funktionieren. Was vom Kind erwartet wird, ist absoluter Gehorsam und eine Einordnung in das sozialistische Kollektiv. Belohnt wird das Kind mit einem Ausweis, einer Uniform, einem Halstuch und dem Gefühl, einer Kindergruppe anzugehören. Die Jungpioniere, das sind WIR.

Ich versuche, mich in eine ehemalige Jungpionierin hineinzuversetzen und aus ihrer Perspektive ein Elfchen zu schreiben. Die Frau ist längst erwachsen, aber im Herzen immer noch Jungpionierin. Wir alle kennen sie. Nach der Wende hat sie im Westen Karriere gemacht. Zugute gekommen sind ihr Intelligenz, Ehrgeiz und ein typisch deutscher, leicht verklemmter Humor. Sie besitzt Eigenschaften, die man auch “deutsche Tugenden” nennt: Fleiß, Ordnungsliebe, Sauberkeit, Disziplin.

Diese Frau erfüllt immer und unter allen Umständen ihre Pflicht. Was die Frau auszeichnet, das ist eine gewisse Bescheidenheit. Bei der Corona-Impfung hat sie nicht Erste sein wollen. Sie hat sich nicht in den Vordergrund gedrängt, sondern in die Reihe gestellt und gewartet, bis sie an der Reihe war.

Ich entnehme den “Gebote(n) der Jungpioniere” die sechs einschlägigen Adjektive und Adverbien und wähle die Ich-Perspektive.

Das kleine Elfchen entsteht ganz von allein…

Ich

war Pionierin,

tüchtig und fleißig!

Ordentlich, sauber, diszipliniert und

gesund!

Ich drucke das Elfchen aus und lese es noch einmal. Es ist stimmig, es passt zu der Frau. Nachts träume ich von ihr, wieder einmal. Vgl.: https://stellwerk60.com/2021/01/27/elfchen-im-ersten-wir-geben-euch-staatssicherheit-ein-gedicht-von-angela-merkel-das-sie-mir-vortrug-wahrend-ich-traumte/ Sie steht freudestrahlend vor mir und liest mir den kleinen Text vor, zweimal, dreimal, sie fühlt sich wahrgenommen, verstanden. Ihre Darbietung ist fehlerlos, der Vortrag wird lediglich von winzigen Glucksern unterbrochen. Diese Frau, die mir jetzt auch noch zuzwinkert, ist in der DDR aufgewachsen und war FDJ-Aktivistin: Angela Merkel!

Als Kind war Angela Merkel Pionierin in der Organisation Ernst Thälmann. Sie wollte immer die Erste sein und war es oft, doch wahrhafte Pionierin war sie erst nach der Wende, sie war vielfache Erste, sie war “als Frau die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Sie war im Amt des Bundeskanzlers die erste Person aus Ostdeutschland und die erste nach der Gründung der Bundesrepublik geborene Person.” https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel

Offenbar hat Angela Merkel nicht nur den autoritären Jargon der DDR-Obrigkeit verinnerlicht, sondern auch deren Geisteshaltung. Das ist verwunderlich, denn ist Frau Merkel nicht DDR-kritisch, war für Frau Merkel die DDR nicht ein Unrechtsstaat? Ich schaue im Internet nach und finde ein spiegel– Video vom 23.9.2010. Wir sehen Angela Merkel, die anlässlich der Feiern zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit das neue Buch von Lothar de Maizière vorstellt: “Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen. Meine Geschichte der deutschen Einheit.”

De Maizière (CDU) war im Jahr 1990 als erster demokratisch gewählter Ministerpräsident zugleich der letzte Ministerpräsident der DDR. Angela Merkel war zu dieser Zeit (zunächst stellvertretende) DDR-Regierungssprecherin – und Lothar de Maizière ihr Vorgesetzter. Die große CDU-Karriere sollte jedoch nicht Lothar de Maizière machen, sondern Angela Merkel.

Im Zusammenhang mit der Buch-Vorstellung hält Angela Merkel eine Rede und stellt klar, dass “trotz des bescheidenen Glücks, das es vor der Wende gegeben habe(spiegel), die DDR aus ihrer Sicht ein Unrechtsstaat war: Die DDR “hat einen perfiden Druck auf alle ausgeübt, die in diesem Lande lebten.” (Video, 0.26-0.36) Indem sie die DDR als “Unrechtsstaat” abstempelt, rechtfertigt Angela Merkel die Wiedervereinigung, so wie sie vonstatten ging: nach den Vorgaben des “Rechtsstaats” Bundesrepublik Deutschland.

Angela Merkels Begründung ist meines Erachtens geschichtsverfälschend, denn “einen perfiden Druck” hat das DDR-Regime nicht auf alle, “die in diesem Lande lebten“, gleichermaßen ausgeübt. Die Brutalität der Obrigkeit bekamen vor allem die Menschen zu spüren, die den Mut hatten, Widerstand zu leisten. Diesen Mut hatte Angela Merkel nicht. Wozu auch? Angela Merkel dürfte ihr bescheidenes Glück genossen haben.

Auf diese Weise stilisiert sich Angela Merkel zum Opfer eines autoritären Regimes, das sie so nie war. Dabei hatte sie kein Problem damit, sich anzupassen, denn ganz im Sinne des DDR-Regimes war sie fleißig, tüchtig und arbeitsam. In der Person der Pastorentochter Angela Merkel verquickt sich die sozialistische mit der protestantischen Arbeitsethik. Weil ich beim Lesen laut lachen musste, möchte ich den Wikipedia-Beitrag zu “Arbeitsethik” empfehlen. Zur protestantischen Arbeitsethik heißt es da: “Die protestantische Arbeitsethik ist gekennzeichnet durch die Vorstellung von Arbeit als Pflicht, die man nicht in Frage stellen darf. Die Arbeit bildet den Mittelpunkt des Lebens, um den herum Freizeit gestaltet wird. Diametral zur vorreformatorischen Auffassung erklärte der reformierte Geistliche Johann Kaspar Lavater im 18. Jahrhundert, „[selbst im Himmel] können wir ohne eine Beschäftigung nicht gesegnet sein“ (Aussichten in die Ewigkeit, 1773).” https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsethik

Kaum etwas konnte die DDR-Obrigkeit so sehr erzürnen wie Menschen, die nicht werktätig waren oder ihre Arbeit nicht in den Dienst des Staates stellten. Als verwerflich galt daher die “Arbeitsscheu”. Auf “Arbeitsverweigerung”, aber auch auf Ausübung der Prostitution reagierte der Staat in Berufung auf § 249 des Strafgesetzbuch(es) der DDR mit äußerster Härte. “Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, daß er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht […] wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.” https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/asozialenparagraph-arbeitslos-opposition-arbeitslager-zwangsadoption-100.html

Bei soviel Angst vor Arbeitsverweigerern wundert es nicht, dass Astrid Lindgrens Kinderbuch “Pippi Langstrumpf” in der DDR zwar gelesen, aber bis 1975 nicht gedruckt werden durfte. Der DDR-Staatsführung galt es als zu anarchistisch. “Als es endlich eine Druckgenehmigung für das Buch gab, kam es nur mit vielen Auslassungen und in geringer Stückzahl auf den Markt.https://www.deutschlandfunkkultur.de/verbotene-lektuere-100.html Pippi Langstrumpf ist gefährlich, weil sie als Minderjährige alleine lebt, weil sie keine Steuern zahlt und keinen Krankenkassenbeitrag und weil sie sich weigert, zur Schule zu gehen. Pippi -das ahnte die ostdeutsche Obrigkeit- würde niemals einem Verein beitreten, schon gar nicht den Jungpionieren. Doch was Pippi besonders gefährlich macht, ist ihr Selbstbewusstsein. Sie führt Respektspersonen (die freundliche Lehrerin, wohlmeinende Fürsorgerinnen, Polizisten) an der Nase herum – und lacht!

Pippi Langstrumpf ist im besten Sinne anti-autoritär. Die weibliche Gegenfigur zu Pippi ist die real existierende, fleißige und tüchtige Angela Merkel. Frau Merkel fehlt es an politischer Leidenschaft. Daher kann sie sich nicht in Menschen hineinversetzen, die aus tiefer Überzeugung allen Risiken zum Trotz Widerstand leisten (müssen!). In ihrer Rede anlässlich der Feiern zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit (s.o.) verliert sie (anders als an anderer Stelle) kein Wort über den politischen Widerstand in der DDR, über Kriegsdienstverweigerer, über Andersdenkende, kein Wort über die Bürgerrechtsbewegung, die Friedensgebete und die Montagsdemonstrationen.

Aber de Maizière verliert ein paar Worte über Angela Merkel und stellt ihr eine Art Zeugnis aus: “Ich habe Angela Merkel nicht erfunden, sondern sie war da und war in meiner Mannschaft und war eine tüchtige Regierungssprecherin. Und sie ist in allen weiteren Verwendungen ebenfalls tüchtig gewesen.“(Video, 1.42-1.52)

Auch in ihrer Verwendung als Bundeskanzlerin ist Angela Merkel durchaus tüchtig gewesen…

Elfchen im Ersten: Der Schneid’ge mit der Scher’

Der

Schneid’ge mit

der Scher’ kommt

heut’ mit der Impfspritz’

daher

***

Bachem, Winter 1957/58

Das Foto, das ich mir angucke, zeigt einen nackten kleinen Jungen, der etwa ein halbes Jahr alt ist. In Ermangelung eines Eisbärenfells hat man das Kind auf ein feines Kissen gelegt. Der Junge liegt auf dem Bauch und hebt den Kopf, was ihm noch ein bisschen schwer fällt. Das Kind ist mein späterer Mann Manfred. Es gibt nicht viele Fotos von ihm, aber diese wenigen erzählen viel.

!!!Achtung, der Junge auf dem Foto unten ist nicht “Manfred”. Ich habe mir Bild und Baby nur “ausgeliehen”, d.h. aus dem Internet abfotografiert. Das Foto ist knapp 50 Jahre älter, stammt aus dem Jahr 1909 und zeigt den Vater einer Fotografin namens Monika Paar. Der wache, knuffige Junge, der meinem Mann ähnlich sieht, war damals schon im Krabbelalter und konnte -anders als der kleine Manfred- wegkrabbeln, was er im nächsten Moment wohl auch gemacht hat. https://www.fotocommunity.de/photo/schon-1909-monika-paar/2190985 Sobald ich “mein” Foto gefunden habe, werde ich es gegen dieses Bild austauschen!!!

Es war einmal: Das Glück, nackt auf dem Bauch zu liegen und nicht damit rechnen zu müssen, verletzt zu werden.

Winter 1957/58: Mein späterer Mann, ein zweitgeborener Sohn, hat seiner Mutter eine gute Geburt beschert. Sie hat ihn einige Wochen lang gestillt und findet es selbstverständlich, dass er kräftig und robust ist. Schließlich ist er ihr Sohn.

Seine Eltern sollten ihm -wie auch den anderen beiden Söhnen- nie Angst machen oder mit Strafe drohen. Eine glückliche Kindheit: So, wie man ist, angenommen werden. Geliebt werden, weil man da ist, nicht zurechtgebogen, nicht belogen, nicht für blöd verkauft werden. Manfred ist schon als Dreijähriger alleine nach draußen gegangen, um mit anderen Kindern zu spielen. Das war damals noch möglich, denn der Autoverkehr hielt sich in Grenzen und das Teilstück der A1 bei Bachem sollte erst gebaut werden, als die Familie nach Frechen-City gezogen war. Manfred wollte nicht in den Kindergarten, obwohl seine Eltern es ihm angeboten hatten. Unter den Frechener Jungs war es verpönt, in den Kindergarten zu gehen. Der Kindergarten war was für Doofe – und für Mädchen.

Allem Fortschritt zum Trotz haben die heutigen Babys die gleichen Bedürfnisse wie die Babys der Steinzeit. Sie wollen es warm haben, wollen in den Arm genommen werden, getröstet, gefüttert, unterhalten, getragen. Ein Menschen-Kind wird mit einer wunderbaren Eigenschaft geboren: Urvertrauen. Als Nesthocker weiß es noch lange nicht, was gut für es ist, es kann sich nicht wehren, wenn man es verletzt. Ein Rest “gesunder Tierverstand” (Friedrich Nietzsche) lässt die meisten Eltern das Richtige tun: Sie kümmern sich um ihr Kind und passen auf, dass niemand ihm wehtut.

In den frühen menschlichen Gesellschaften haben vermutlich fast ausschließlich Frauen die neugeborenen Kinder versorgt und beschützt. Wir müssen uns vorstellen, dass die Frauen vor der Sesshaftwerdung des Menschen innerhalb ihrer zahlenmäßig überschaubaren “Gesellschaft” machtvoll waren, jedoch nicht im heutigen, landläufigen Sinne. Sie hatten keine Macht über andere Menschen, sondern waren das Zentrum ihrer Gruppe. Ihre Macht war nicht angemaßt, sondern naturgegeben. Schließlich waren sie es, die das Kind neun Monate in sich trugen, es unter Todesgefahr zur Welt brachten und via Geburt das einzige für Neugeborene “bekömmliche” und das Überleben des Menschen sichernde Nahrungsmittel produzierten: Muttermilch.

Was die Macht der Frauen (auch für das Selbstbewusstsein der Männer) bedeutete, brachte der humorbegabte US-amerikanisch-deutsche Tübinger Forscher Nicholas Conard im Jahr 2009 auf den Punkt: „Bei mobilen Jäger und Sammlern ist das Schlimmste, was passieren kann, dass Frauen in den reproduktiven Jahren sterben oder gesundheitliche Probleme… Wenn ein paar Männer verschwinden, ist es nicht schlimm. Aber eine gesunde Frau, die Nachwuchs produzieren kann, ist für die Existenz der Gruppe in der Eiszeit sehr wichtig.“ https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-zehn-jahren-erstmals-praesentiert-die-venus-vom-hohle-100.html (Fett-Markierung von mir).

Doch der tiefe Respekt vor der Frau hatte mehr als nur praktische Gründe. Denn “was hat die steinzeitliche Welt so lange in der Balance gehalten? Warum hat der Gebrauch von Werkzeugen und Waffen nicht zur Selbstzerstörung geführt? … Entscheidend war die Liebe zum Leben: Das Gespür für Natur, die Ehrfurcht vor der weiblichen Gebärfähigkeit und die Einbettung des menschlichen Daseins in den göttlichen Kosmos…“ https://stellwerk60.com/2022/07/09/elfchen-im-siebten-schoepfungswonne/ Als Gebärende bekommt die Frau eine Ahnung von der allem Lebendigen innewohnenden Schöpfungskraft. Der Schlüssel zur Wahrnehmung dieses Vermögens, das das Gegenteil ist von simpler (männlicher) Muskelkraft, sind die Geburts-Wehen, ein Potential, das in jeder Frau “schlummert”, ob sie ein Kind zur Welt bringt oder nicht.

Es war den Jägern und Sammlerinnen bewusst, dass wir Menschen mit allen Kreaturen verwandt und Teil der Natur sind. Sie wussten, dass der Wechsel der Jahreszeiten die Fruchtbarkeit sicherstellt. Sie lebten in den relativ ruhigen Zeiten vor sich häufenden “Extremwetterereignissen”, vor “Lichtverschmutzung” und “Lichtsmog”. Der wolkenlose Nachthimmel war klar und der Zusammenhang zwischen Mondrhythmus und Menstruationszyklus unübersehbar.

Die besondere Nähe der Frau zur Natur war offenbar. Die frühen Menschen erfuhren Natur in ihrer Grausamkeit (Erdbeben, Hungersnöte, Mütter- und Kindersterblichkeit u.u.), aber auch in ihrer mannigfaltigen Schönheit und ihrem zyklischen Wiedererwachen. Und eines lernten die Menschen von den wilden Tieren: Um die “Natur nicht zu erzürnen” und um diese Welt in Balance zu halten, darf sich jede Kreatur nur so viel von der Natur nehmen, wie sie zum Überleben braucht.

Wenn man von einer “Ursünde” reden will, dann ist es die, dass Männer die Macht ergriffen und der Natur den Krieg erklärten. Mit des Vatergottes Segen machten sie sich die Erde untertan und versuchten, die Natur zu kontrollieren und restlos zu beherrschen. Sie kreierten den “Feind” und erfanden Waffen, die nicht mehr der Verteidigung gegen wilde Tiere dienten oder der Jagd, sondern der Tötung von Artgenossen, der Vernichtung von Mitmenschen. Was die gegenwärtige Welt mehr als notdürftig “zusammenhält”, ist das Gegenteil einer natürlichen Balance: Das Gleichgewicht des Schreckens. Die feigste, perfideste und erbärmlichste Drohgebärde ist die Drohung mit der Atombombe.

Die Natur ist nicht paradiesisch. Auch wir Menschen einer technisierten Welt werden immer wieder daran erinnert, dass wir sterblich sind. Geburt, Krankheit und Tod lassen sich -trotz aller wissenschaftlichen Bestrebungen- nicht abschaffen.

Die medizinische Wissenschaft hat viel Gutes bewirkt, schlägt aber immer mehr über die Stränge. Frauen müssen heutzutage keine Angst mehr davor haben, bei der Geburt zu sterben. Der Notkaiserschnitt ist eine große medizinische Errungenschaft. Doch die Option Kaiserschnitt hat ihren Preis, denn das ärztliche Versprechen einer “sicheren Geburt” geht einher mit einer engmaschigen Gesundheitskontrolle. Das jedoch öffnet nicht nur der Medizin, sondern auch der Gesundheitspolitik Tür und Tor.

Wir erleben eine immer weiter fortschreitende Entmündigung der Frau und eine Medizinisierung des Lebens, insbesondere da, wo es beginnt. Die Räume einer genuin weiblichen Erfahrung -wie Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt- sind längst von der Medizin in Besitz genommen worden. Im Rahmen der Schwangerenvorsorge wird die Frau Objekt der Gynäkologie. Ihr Blut wird auf mögliche Anomalien hin untersucht, ihr Bauch ausgeleuchtet, ihr Fötus vermessen. Der Mutterleib ist nicht mehr dunkler, primärer Schutzraum, sondern sein Gegenteil: Durchleuchteter “öffentlicher Ort” (Barbara Duden).

Jede Geburt ist nicht nur ein Hervorbringen, sondern auch eine Trennung. Nach der Abnabelung lernen sich “Mutter” und “Kind”, die keine Einheit mehr sind, sondern zwei verschiedene Menschen, überhaupt erst kennen. Um im Anschluss an die Zweieinigkeit im Mutterleib eine Symbiose aufbauen zu können, muss die Mutter, nachdem sie ihr Kind geboren hat, es zu sich holen, sich mit ihm anfreunden. Dieses elementare Wiederfinden, die Ur-Versöhnung, die ihre Zeit braucht, aber in aller Regel gelingt -insbesondere über das Stillen-, wird zunehmend gestört. Die moderne Medizin okkupiert die Leiber und treibt -anders kann ich es leider nicht sagen- einen Keil zwischen Mutter und Kind.

Kaum ist ein Kind abgenabelt, wird es von der Gynäkologie zur Kinderheilkunde weitergereicht. https://stellwerk60.com/2021/06/30/elfchen-im-sechsten-kinderfruherkennung/ Die “kostenlosen”, meines Erachtens übertriebenen und in ihrer Maßlosigkeit grenzüberschreitenden Kinderuntersuchungen 1-9, die alle in die Vorschul-Zeit fallen, enthalten nicht nur “Vorsorgeuntersuchungen”, sondern sind mit immer zahlreicher werdenden “kostenlosen” Impfungen und Auffrischimpfungen verknüpft, vor allem, aber längst nicht nur gegen Kinderkrankheiten. Und welche Eltern sagen schon NEIN, wenn eine Organisation mit dem Ehrfurcht einflößenden Namen “Ständige Impfkommission” (STIKO) eine Impfung empfiehlt? Was die Kinder bei den U-Untersuchungen erwartet (ihnen “blüht”), wird in einem “Patienten”(!)-Flyer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) anschaulich beschrieben. https://www.kbv.de/media/sp/Patientenflyer_Frueherkennungsprogramm_Kinder_final.pdf

In den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Bayern ist die Teilnahme der Kinder an allen U-Untersuchungen Pflicht. Doch auch in den anderen Bundesländern lassen sich die Kindertagesstätten, wenn Eltern ihr Kind anmelden, nicht nur einen Impfpass mit Nachweis der verpflichtenden Masernimpfung, sondern oft auch ein Heft vorlegen, das die Teilnahme des Kindes an den U-Untersuchungen dokumentiert. Im “Frei”staat Bayern ist darüber hinaus die Teilnahme an der J1 Pflicht. “Art. 14 GDVG verpflichtet Eltern, die Teilnahme ihrer Kinder an den Früherkennungsuntersuchungen („U-Untersuchungen“ U1 bis U9, J1) sicherzustellen.”  https://www.stmas.bayern.de/kinderschutz/praevention/index.php

J1 meint eine Untersuchung für Jugendliche von 12 bis 14 Jahren, die im Jahr 1998 eingeführt wurde. Im Rahmen der J1 wird der “Impfstatus” überprüft und mittlerweile auch die “kostenlose” Impfung gegen HPV (Humane Papillomaviren) empfohlen. Wenn sich die Jugendlichen zur Untersuchung angemeldet haben, bekommen sie einen Frage-Bogen in die Hand gedrückt. Den Fragebogen gibt es in verschiedenen, mehr oder minder indiskreten Fassungen. Hier ein Auszug aus der Version von http://www.kinderaerzte-im-netz.de:

Hast du Sexualprobleme?” – Angesichts von so viel ärztlichem “Interesse” sehen viele Jugendliche rot. Kein Wunder, dass nicht einmal 30% aller deutschen Dreizehnjährigen zur J1 gehen. Ich finde diesen nassforsch-lässig das “Du” benutzenden Aus-Fragebogen scham- und respektlos.

(Kleine Ergänzung 16.3.2023: Gerade habe ich gelesen, dass im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung namens U Null neuerdings bereits Föten in der Kinderarztpraxis vorstellig werden können! “Die U0, eine neue Vorsorgeuntersuchung am Ende der Schwangerschaft, ist ein Angebot für werdende Mütter ab der 28. Schwangerschaftswoche bzw. Eltern, sich beim Pädiater vor der Geburt zu wichtigen Themen der Babygesundheit informieren zu lassen. Sie wird ab dem 1.1.2023 von bestimmten Krankenkassen kostenlos angeboten.” https://www.kinderaerzte-im-netz.de/mediathek/u0-vorsorge/)

Babys sind noch nicht in der Lage, ein Kreuz in einen Kringel zu malen. Das schützt sie leider nicht davor, geimpft zu werden, auch gegen eine Krankheit, die ihnen kaum etwas anhaben kann und die sie nicht einmal übertragen. Seit Ende Oktober 2022 wird die Corona-Impfung mit dem Impfstoff von BionTech von der STIKO auch für vorerkrankte Kinder ab sechs Monaten empfohlen, wobei “vorerkrankt” so weit ausgelegt werden kann, dass bis zu 10% der Kinder ab sechs Monaten darunter fallen.

Hiermit unterwirft sich die deutsche der rigiden und riskanten US-Gesundheitspolitik. “Es gibt Länder wie Schweden, Dänemark, die Schweiz, Großbritannien, die empfehlen Kindern unter zwölf gar keine Impfung, also auch keinen Babys oder Kleinkindern. Der Nutzen sei einfach nicht groß genug. Ganz anders die USA: Dort raten die CDC zur Impfung für alle Babys und Kleinkinder, die Weltgesundheitsorganisation sieht das ähnlich.” https://www.deutschlandfunk.de/wie-wichtig-sind-corona-impfungen-fuer-vorerkrankte-kleinkinder-100.html

Indirekt gibt es in Deutschland die Baby-Impfung schon länger. Seit September 2021 empfiehlt die STIKO sowohl stillenden als auch schwangeren Frauen die Corona-Impfung. Ziel der Impfung ist nicht nur der Schutz der Mutter vor einer Corona-Infektion, sondern der Schutz des neugeborenen bzw. ungeborenen Kindes. Die stillenden bzw. werdenden Mütter sollen via Muttermilch bzw. Mutterkuchen Antikörper an ihr Kind weitergeben und so den “Nestschutz” optimieren.

Diese Empfehlung ist angesichts der Tatsache, dass Babys kaum an Corona erkranken, meines Erachtens inakzeptabel. Völlig missachtet wird, dass die Mutter nicht nur Antikörper, sondern auch Chemikalien sowie mögliche Langzeit-Nebenwirkungen der Impfung an das Kind weitergibt. Die Empfehlung der STIKO ist schon deshalb fahrlässig, da das Blut von neugeborenen Kindern ohnehin schwer mit Schadstoffen belastet ist. Im Jahr 2021 wurde das Ergebnis einer Studie publik. Ein US-amerikanisches Forscherteam konnte “109 verschiedene Chemikalien im Blut der Babys und der Mütter nachweisen. 40 davon stammen aus Weichmachern, 29 aus Medikamenten, 28 aus Kosmetikprodukten und 25 aus typischen Haushaltsmitteln. Außerdem entdeckten die Wissenschaftler 23 Pestizide, sieben polyfluorierte Alkylverbindungen und drei Flammschutzmittel.” https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/medizin/109-industriechemikalien-im-blut-neugeborener-babys-13374840

Alarmierende Meldungen wie diese verschwinden schnell aus den Schlagzeilen, denn sie stellen die gängige Impf-Praxis (Impfen! Impfen! Impfen!) in Frage. Außerdem -so ist zu befürchten- will man sich weder das Geschäft vermiesen noch den Spaß verderben lassen. Kinder impfen dürfte manchen Ärzten tatsächlich Spaß machen! Anders kann ich mir Karl Lauterbachs Elan nicht erklären, jene freudvolle Inbrunst, mit der er Ende 2021 Kinder impfte. vgl.:https://stellwerk60.com/2021/12/28/wie-suess-oezlem-tuereci-biontech-malt-ein-kleines-herzchen-in-das-goldene-buch-der-stadt-koeln-gedanken-zum-fest-der-unschuldigen-kinder/

In meinem Blogbeitrag zum Dreifach-Elfchen im Elfchen schrieb ich: “Ich denke, dass die fotorealistische Darstellung der Impfung eines Kindes die Phantasien pädophil gestörter Männer… anregt. Dass das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen der Impf-Werbung diese Bilder in Umlauf bringt bzw. bringen lässt, ist meines Erachtens verwerflich.https://stellwerk60.com/2022/11/30/dopp-elfchen-im-elften-kinder-die-was-wollen/

Besonders ekelhaft finde ich die Impf-Bilder dann, wenn der Spaß-Faktor hinzukommt. So wurde im Zusammenhang mit der Baby-Impfung in einem Beitrag des SWR ein “lustiges” Foto veröffentlicht. (Foto: IMAGO, imago/pantherMedia/Norbert Schäfer) https://www.swr.de/wissen/usa-biontech-coronaimpfung-fuer-unter-fuenfjaehrige-100.html

Der Arzt als Kinderschreck…

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Das Elfchen im Ersten zum Zweiten:

Der

Schneid’ge mit

der Scher’ kommt

heut’ mit der Impfspritz’

daher

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Doch was ist an dem Foto so schrecklich? Ich denke nach…

Wahrscheinlich finde ich es deshalb so schrecklich, weil es (indirekt) die hoch umstrittene Corona-Baby-Impfung banalisiert und dabei auch noch lustig daherkommt. Vermutlich bringt der erschrockene Gesichtsausdruck des nichtsahnenden Kindes viele Leute zum Schmunzeln. Wir kennen den untergründig fiesen Humor aus einer Urschrift der “Schwarzen Pädagogik” (Begriff: Katharina Rutschky), dem “Struwwelpeter”.

Das Buch, das der Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann für seinen dreijährigen Sohn schrieb und illustrierte, fanden damals viele Menschen lustig. So hieß die Erstausgabe im Jahr 1845 noch nicht “Struwwelpeter”, sondern erschien unter dem Titel Lustige Geschichten und drollige Bilder für Kinder von 3–6 Jahren.” Nun, so “drollig” ist es nicht, auch wenn der Titel den Leuten sagt, dass sie lachen dürfen.

Der Erwachsene ist immer stärker als das Kind. Er hat die Macht, es physisch oder psychisch zu verletzen. Das geht leicht, Kinder sind unendlich verletzlich. Vor allem kann man Kindern mit den einfachsten Tricks Angst einjagen. Der “Struwwelpeter” arbeitet mit simplen Tricks. Wenn die Kinder nicht gehorchen, drohen die schlimmsten Strafen, bis hin zu Verstümmelung oder Tod. Und diese Strafen -das erzählt uns der “Struwwelpeter”- haben sich die Kinder auch noch selber eingebrockt.

Erwachsene lachen über den “Struwwelpeter”, denn die Geschichten provozieren ein allzu menschliches Gefühl: Schadenfreude. Gegenüber Kindern (und seien es deren literarische Pendants) Schadenfreude zu empfinden, finde ich feige und schäbig.

Hoffmann selber muss eine sadomasochistische Freude daran gehabt haben, sich das Zufügen der Schmerzen und das Leid der Kinder auszumalen, denn das Buch ist auf ekelhafte Weise “gelungen”. Dabei wählt er das literarische Mittel der Übertreibung. Erwachsene wissen: Kein Kind wird sterben, wenn es die Suppe, die man ihm vorsetzt, nicht isst. Keinem Kind wird ein Schneider mit der Scher‘ die Daumen abschneiden, weil es am Daumen lutscht. Kleine Kinder wissen das noch nicht. Sie glauben den Erwachsenen alles.

Die Geschichten, die ganz alltäglich daherkommen, machen den Kindern Angst, die eindringlichen bunten Bilder schleichen sich in ihr Unbewusstes und verursachen Alpträume. Und was tun die Kinder? Aus Angst, dass es ihnen ähnlich ergehen könnte wie Paulinchen, Konrad oder Robert, laufen sie zu den Erwachsenen über und tun das, was Sigmund Freuds jüngstes Kind, die Psychoanalytikerin Anna Freud, in den 1930er Jahren “Identifikation mit dem Aggressor” genannt hat.

So verkneifen sich die Kinder jegliches Mitgefühl, denn das würde wehtun. Sie zeigen mit dem Finger auf den ungepflegten Struwwelpeter, mit dessen weltberühmt gewordenem Bild das Buch beginnt, und lachen ihn aus: “Sieh einmal, hier steht er, Pfui! der STRUWWELPETER!”

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In den über hundert Jahren, die zwischen den beiden Bildern (Quellen: s.o.) liegen, sind weltweit immer mehr Hemmschwellen gefallen- nicht nur im Krieg.

Biblische WONDER WOMEN: Die wundersamen Schwangerschaften der unfruchtbaren Elisabeth und der Jungfrau Maria

Die Wunder Jesu, die uns das Neue Testament erzählt, waren einmal spektakulär. Zu den bekanntesten gehören die Heilung eines Mannes, der von Geburt an blind ist, die Speisung der Viertausend mit fünf Broten und zwei Fischen und der Gang über den See Genezareth.

Doch als Menschen des 21. Jahrhunderts wissen wir, dass sich Wunder fingieren lassen. Mit der Erfindung von Comic-Superhelden wie Batman, Superman und dem weiblichen Pendant Wonder Woman sowie der Entwicklung filmischer Tricksequenzen haben die Wunder Jesu endgültig an Überzeugungskraft verloren. Selbst Theologen stellen sich die Frage, ob die Wunder Jesu tatsächlich stattgefunden haben, schon lange nicht mehr. “Dass die Wunder eins zu eins so passiert sind, wie es in der Bibel steht, schließen die meisten Theologen heute aus. Die Erzählungen sind nicht vom Einfluss anderer Geschichten zu trennen und auch nicht von dem, was die Gläubigen nach Jesu Tod als Ausschmückung dazuerzählten. Bis die Evangelien aufgeschrieben wurden, vergingen Jahrzehnte. Keiner der Evangelisten hat Jesus persönlich kennengelernt.https://chrismon.evangelisch.de/artikel/2014/sind-die-wunder-wirklich-geschehen-20727

Da ist es umso verwunderlicher, dass die Wunder Jesu immer noch eins zu eins ernstgenommen werden, wenn auch als Vorlage für Wissenschafts-Ulk. Jack Pop (MDR Wissen) versucht in einem YouTube-Auftritt zu Ostern 2020, die “Wunder” aus Sicht der Wissenschaft zu entlarven. In welche Trickkiste, so der Tenor des Beitrags, könnte Jesus gegriffen haben? Hat er etwa bei der Verwandlung von Wasser in Wein in Wirklichkeit das Wasser nur rot eingefärbt und dafür zu Kamin gegriffen, einem Extrakt aus der Schildlaus? Pops Sprache ist aufgesetzt lässig. Um sich bei der Zielgruppe “Junge Erwachsene” beliebt zu machen, spricht er eine saloppe “Jugendsprache”. Wortwörtlich: “Was, wenn der Heiland nur ein krasses Wissenschaftsgenie war?”

Nun finde ich es höchst fragwürdig, wenn man die Wunder Jesu “wissenschaftlich” beleuchtet und auf diese Weise veralbert. Schließlich handelt es sich bei der Bibel nicht um irgendein Buch. Die Bibel ist ein voluminöses Grundlagenwerk und hat nicht nur unser Menschen-, Gottes- und Weltbild nachhaltig geformt, sondern war wegweisend und tonangebend für die moderne Menschheitsgeschichte. Die Bibel ist das meistverkaufte Buch der Welt und, das wage ich zu sagen, das wirkmächtigste Propagandawerk aller Zeiten.

Ich persönlich finde die Bibel gefährlich, weil uns die Heilige Schrift auf den einen Vater-Gott einschwört, unsere Spiritualität absorbiert, unsere Sehnsucht kanalisiert und unsere Hoffnung auf ein Paradies in enge, patriarchale Bahnen lenkt. Doch was war und ist die eigentliche Mission der Bibel?

Der Sohn Gottes, so erzählt es das Neue Testament, sei auf die Erde gekommen, um die Trennung zwischen Mensch und Gott aufzuheben und den Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies wieder an Gott zu binden. Doch die “Versöhnung” hat ihren Preis, denn eine andere Trennung wird zementiert, die zwischen Mensch und Natur. Jesus -und das ist fatal- besiegt die Natur. Mit seinen “Wundern” überwindet er die Schwerkraft, die Elemente, er besiegt unheilbare Krankheiten, und am Ende dann besiegt er, indem er wiederaufersteht, sogar den Tod. An diesen Gott sollen wir glauben. Der Lohn, der uns versprochen wird, falls wir gehorchen, ist ein Leben nach dem Tod und die Aufnahme in das Paradies Gottes.

So untermauert das Neue Testament einen autoritären Grundsatz aus dem sehr viel älteren Alten Testament. Schon im Schöpfungsbericht, noch während er dabei ist, die Erde zu erschaffen, erteilt Gott den Menschen den Auftrag, die Natur zu beherrschen: „Macht euch die Erde untertan.“ (Gen 1,28) Manch einer wird den markigen Appell in der modernen “Einheitsübersetzung”, die die Katholische Kirche benutzt, vergeblich suchen, denn hier findet sich stattdessen die Formulierung “Unterwerft sie euch”. In der Luther-Übersetzung (Aktuelle Fassung von 2017) heißt es aber nach wie vor: “Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan.” https://www.die-bibel.de/bibeltext/1.%20Mose%201,28/

Der berühmte Appell ist, seit wir wissen, dass der “Klimawandel” menschengemacht ist, in Verdacht geraten. Doch der Appell lässt sich, auch wenn er so formuliert ist, dass man ihn kaum wieder erkennt, nicht zum Verschwinden bringen, denn die Aufforderung zur Naturbeherrschung durchdringt die gesamte Bibel.

Indem Gott Adam und Eva segnet, bekommt auch die Naturbeherrschung Gottes Segen: “Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.Gen 1,28, EÜ, zitiert nach: https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/gen2.html

Nun wirkt der Appell Macht euch die Erde untertan bis heute nach. Auch Naturwissenschaft und Politik haben ihn sich auf ihre Fahnen geschrieben. So findet sich sein sprachliches Echo im hymnischen Leitsatz einer deutsch-französischen Wissenschaftskooperative: “Make Our Planet Great Again.” Was für eine Anmaßung, die Erde “wieder großartig” machen, sie (nach den Vorgaben der Wissenschaft?) umgestalten zu wollen! Und was wäre eine “wieder großartige” Erde?

Der französische Präsident Emmanuel Macron, Kofürst von Andorra, ein Rationalist, der die Etikette hochhält, hätte, als er am 2. Juni 2017 eine “persönliche Botschaft” an die Weltöffentlichkeit vorlas, fast zu weinen begonnen, vermutlich aus Erschütterung über sich selber. Schlusswort seiner Klima-Botschaft war die Parole Make Our Planet Great Again. Vgl.: https://stellwerk60.com/2021/09/11/elfchen-im-neunten-make-our-planet-great-again-macht-euch-die-erde-untertan/

Adam und Eva versündigen sich, indem sie Gott und die Aufforderung, die Natur zu beherrschen, nicht ernst nehmen. Im 3. Buch der Genesis lässt sich Eva von der listigen Schlange dazu verführen, Gottes Verbot zum Trotz einen Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen. Anschließend verführt sie Adam dazu, es ihr gleichzutun. Jetzt erst realisieren sie, dass sie nackt sind, Mann und Frau. Sie bemerken nicht ohne Entzücken den Unterschied zwischen den Geschlechtern, ahnen, dass man Menschen weder aus Ackererde formt noch aus Rippen schnitzt. Adam und Eva empfinden nicht nur Scham, sondern bekommen eine Ahnung von etwas Schönem: Der leiblichen Liebe.

Indem sich Adam und Eva als Naturwesen erfahren, entscheiden sie sich -ohne es beabsichtigt zu haben- gegen Gott. Denn der erbarmungslose, rigorose Vater-Gott duldet nur ein Entweder-Oder. Er macht seine Drohung wahr, bestraft Adam und Eva mit dem Schicksal, sterblich zu sein, und definiert die Natur, in die er sie stößt, als Ort des Schreckens. Gott vertreibt die Menschen aus dem Paradies, das sich bei näherem Hinschauen als Unort entpuppt: Als sauberer, allzu schöner, bis in den letzten Winkel durchstrukturierter Raum, den Gott allein nach seinen Vorstellungen gestaltet und mit Lebewesen bestückt hat: Künstlich und unisex. Er pflanzt den Menschen Angst ein, Angst vor dem Leben und Angst vor dem Tod. Die moderne politische Propaganda, die mit unserer Todesangst spielt, hat hier ihre Wurzeln.

Gottes Furor richtet sich insbesondere gegen die Frau. Nicht ohne Grund, denn die Frau ist seine Konkurrentin. Sie ist diejenige, die den Menschen zur Welt bringt und mit jeder Geburt die Erschaffung des Menschen aus Ackerboden und Männer-Rippe in Frage stellt. So missachtet Gott die weibliche “Schöpfungswonne” und reduziert Schwangerschaft und Geburt auf Mühsal und Schrecken: Zur Frau sprach er: “Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. / Unter Schmerzen gebierst du Kinder…” (Gen 3,16, LU) Gleichzeitig bestraft er Adam und Eva für die aufkeimende gegenseitige Liebe, treibt einen Keil zwischen Mann und Frau und zementiert die leibliche Liebe als Gewalt- und Herrschaftsverhältnis: “ / Du hast Verlangen nach deinem Mann; / er aber wird über dich herrschen.” (Gen3,16, LU)

Mit der Erschaffung des Menschen installiert der Gott der Genesis ein Herrschaftsverhältnis. Adam und Eva bilden ein patriarchales Ur-Paar, denn von Beginn an herrscht Adam über Eva. Doch gleichzeitig -und darin zeigt sich die Genialität der wirkmächtigen Bibel- macht der Gott der Genesis Adam und Eva zu Komplizen. Ausgerechnet die Frau, deren Leiblichkeit uns in aller Ambivalenz daran erinnert, dass wir Teil der Natur sind, soll sich Seite an Seite mit dem Mann die Erde und alle irdischen Kreaturen untertan machen, die Natur beherrschen. Als seine Assistentin, versteht sich. Schließlich lautet der berühmte Appell nicht Mach dir, sondern Macht euch die Erde untertan. Die Gleichschaltung der Geschlechter, die in unserer Gegenwart mit dem “Wehrdienst” von Frauen ihren brutalen Höhepunkt erreicht hat, nimmt hier ihren Anfang.

Kann ich Christin sein, ohne dem Gott der Bibel, den ich als kalt empfinde, Glauben zu schenken?

Ein christliches Volks- und Wallfahrtslied aus dem 19. Jahrhundert erzählt von einem göttlichen Naturwunder, das nicht in der Bibel steht. Das Lied wagt einen Perspektivwechsel, denn es rückt nicht den Mann Jesus, sondern die mutterleibliche Zweieinigkeit von Jesus und Maria in den Mittelpunkt. Noch ist Jesus nicht auf der Welt. Er ist noch lange nicht der erwachsene, bewusst agierende Mann, sondern das Wesen im Mutterleib. Der ungeborene Jesus ist noch Teil von Maria und eins mit der Natur.

In einem schönen Text (auch als Podcast zu hören) erklärt uns Doris Blaich, was es mit dem Lied, das so alt nicht ist, wie es scheint, auf sich hat: “Uralt wirkt dieses Lied und die Geschichte, die es erzählt: die schwangere Maria geht durch einen Wald. Er ist völlig verdorrt: überall nur Dornengestrüpp. Doch als Maria den Wald betritt, verwandelt sich diese Wüste…” https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/maria-durch-ein-dornwald-ging-swr2-weihnachtslieder-100.html

Maria durch ein Dornwald ging

Maria durch ein Dornwald ging
Kyrie eleison
Maria durch ein Dornwald ging
Der hat in sieben Jahr’n kein Laub getragen
Jesus und Maria

Was trug Maria unter ihrem Herzen
Kyrie eleison
Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen
Das trug Maria unter ihrem Herzen
Jesus und Maria

Da haben die Dornen Rosen getragen
Kyrie eleison
Als das Kindlein durch den Wald getragen
Da haben die Dornen Rosen getragen
Jesus und Maria

Das Lied ist schlicht und zart und kommt ohne Superlative aus. Es speist sich aus einem Gefühl, das in der Genesis fehlt: Liebe. Marias Gang durch den Dornwald spiegelt Schwangerschaft (und Geburt) in ihrer Ambivalenz. Maria nimmt einen beschwerlichen Weg auf sich – wie jede werdende Mutter. Es gibt keine Schwangerschaft ohne Beschwerden und keine Geburt ohne Schmerzen. Alles braucht seine Zeit. Aber Schwangerschaft und Geburt münden in eine Erlösung, die so tief ist, wie eine Erlösung nur sein kann. Hierfür stehen die Hoffnung spendenden Rosen. Jede Geburt ist ein Neuanfang.

Ich bin Christin, weil ich zwar nicht den erwachsenen Mann Jesus Christus, aber das ungeborene Kind liebe. Auch ein Kind Gottes -das erzählt die Bibel- muss geboren werden. Für mich ist Jesus Christus Teil der Natur und Teil eines Göttlichen, das größer ist als Gott Vater. Das ungeborene Kind Jesus Christus vollbringt keine Wunder. Es ist die Natur selber, die die Rosen zum Blühen bringt.

Marias Wanderung bezieht sich auf eine Begegnung, von der auch Bibel erzählt: Die Heimsuchung. Die Jungfrau Maria, seit kurzem erst schwanger, besucht ihre Kusine Elisabeth, die ebenfalls ein Kind erwartet, aber schon in drei Monaten entbinden wird. Maria wird bis kurz vor der Geburt bei Elisabeth bleiben, um sie zu unterstützen. Dass Elisabeth schwanger ist, ist verwunderlich, denn Elisabeth, Gattin des Zacharias, war in all ihren Ehe-Jahren unfruchtbar und ist jetzt längst nicht mehr im gebärfähigen Alter.

Superlative der Fruchtbarkeit kennen wir bereits aus dem Buch Genesis. Da sind es vor allem “auserwählte” Männer, Adam und seine Nachfahren, die noch im hohen Alter Kinder zeugen. Nachdem sie zunächst Väter von Söhnen werden, zeugen sie im Verlauf von mehreren hundert Jahren zahlreiche weitere Kinder. Hier ist allerdings die Phantasie mit den Autoren durchgegangen, und die protzigen Bibel-Passagen hören sich an wie Comic-Geschichten:

Adam war hundertdreißig Jahre alt, da zeugte er einen Sohn, der ihm ähnlich war, wie sein Abbild, und nannte ihn Set. Gen 5,3, EÜ. Nach der Geburt Sets lebte Adam noch achthundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter. Gen 5,4, EÜ. Die gesamte Lebenszeit Adams betrug neunhundertdreißig Jahre, dann starb er. Gen 5,5, EÜ. Set war hundertfünf Jahre alt, da zeugte er Enosch. Gen 5,6, EÜ. Nach der Geburt des Enosch lebte Set noch achthundertsieben Jahre und zeugte Söhne und Töchter. Gen 5,7, EÜ. Die gesamte Lebenszeit Sets betrug neunhundertzwölf Jahre, dann starb er. Gen 5,8, EÜ.

Auch von einer Frau, die im hohen Alter noch ein Kind zur Welt bringt, erzählt das Alte Testament. 90 Jahre alt muss Abrahams Frau Sara der Bibel nach werden, bevor sie (mit Gottes übernatürlicher Hilfe) endlich schwanger wird. “Abraham und Sara waren schon alt; sie waren in die Jahre gekommen. Sara erging es längst nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt.Gen 18,11, EÜ.

Da sprach der Herr zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Soll ich wirklich noch Kinder bekommen, obwohl ich so alt bin? Gen 18,13, EÜ. Ist beim Herrn etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben. Gen 18,14, EÜ.

(“Ist beim Herrn etwas unmöglich?” Mit leichtem Schrecken bemerke ich, dass sich die moderne Auto-Werbung auch bei der Bibel bedient: “Nichts ist unmöglich: TOYOTAhttps://www.youtube.com/watch?v=tkIqeI0wZ7c)

Das Neue Testament knüpft mit Elisabeths Schwangerschaft genau da an. Auch sie ist schon in einem Alter, das man heutzutage “Rentenalter” nennt. Wieder einmal setzt die Macht Gottes die naturgegebenen weiblichen Rhythmen außer Kraft. Es ist der Erzengel Gabriel, “Marias Engel”, der Zacharias den ersehnten Sohn verheißt. Doch anders als Johannes der Täufer wird der Sohn Gottes nicht von einer unfruchtbaren alten Ehe-Frau ausgetragen, sondern von einer fruchtbaren jungen Frau, der Jungfrau Maria.

Unübersehbar ist der Bezug zur Gegenwart. Medizintechnisch ist es möglich, Frauen jenseits der Wechseljahre, die keinen Eisprung mehr haben, befruchtete Eizellen einzupflanzen. Manchmal sind werdende Mütter gleichzeitig werdende Großmütter, dann nämlich, wenn sie sich die befruchteten Eizellen ihrer Töchter einpflanzen lassen und als Leihmütter ihre Enkelkinder austragen.

Tatsächlich spielen Wissenschaftler Gott, doch nur den Einen, den Gott der Bibel. Und wie die keimzellenfreie Befruchtung in der Bibel hat die keimfreie künstliche Befruchtung Gottes Segen.

Mittlerweile dringen die reproduktionsmedizinischen Eskapaden bis in unseren Alltag vor.

Ich kenne eine jüngere verheiratete Frau, die keinen Eisprung hat und daher unfruchtbar ist. Vor ein paar Jahren hat Lena (wie ich sie nenne) ein Mädchen zur Welt gebracht. Die leiblichen Eltern sind ihr Ehemann und eine Eizell-Spenderin unbekannter Herkunft. In einer spanischen Fruchtbarkeitsklinik hat sich Lena eine mit dem Sperma ihres Mannes befruchtete Eizelle der Spenderin in ihre Gebärmutter einpflanzen lassen. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass es tiefenpsychologisch so ist, als sei Lena gezwungen, die Frucht eines Seitensprunges ihres Mannes auszutragen. “Gesund” für die Seele ist das nicht. Die Zukunft wird zeigen, wie das Kind damit umgeht. Lena hatte ein blondes, blauäugiges Kind bestellt, hat aber ein dunkelhaariges mit braunen Augen bekommen. Das Kind ist “entzückend”.

Der einzige Trost, den der Wahnsinn, unser Leben an die Reproduktionsmedizin zu verkaufen, parat hält, ist die Tatsache, dass die Kinder, die der In-vitro-Fertilisation entspringen, trotz alledem ganz normale, süße, liebe Kinder sind.

Elfchen im Zwölften: Der Weihnachtsmann der DEUTSCHEN BAHN beschenkt Nippeser Pänz!

Im September hatte ich über das Bau-Vorhaben der Deutschen Bahn in Köln-Nippes berichtet. Die Pläne der BAHN sind so brutal und lebensfeindlich, dass sie uns irreal erscheinen. Wir Menschen, die in der Nähe der Nippeser S-Bahn leben, können und wollen nicht glauben, dass die Vertreter der BAHN es nicht gut mit uns meinen. Von einem Privatunternehmen erwartet man profitorientiertes Kalkül, aber die Deutsche Bahn ist kein Privatunternehmen, sondern ein bundeseigener “Mobilitäts- und Transportkonzern”, der der Bundesrepublik Deutschland gehört, also sozusagen uns allen.

Die Bahn weckt nostalgische Gefühle in uns, denn sie ist Teil unserer Kindheit: “Zuch zuch zuch zuch Eisenbahn, wer will mit nach Kölle fahr’n? Kölle ist geschlossen, Schlüssel ist gebrochen…” Dieses kleine Lied habe ich Anfang der 1960er Jahre im Kindergarten gesungen. Es weckte meine Neugier auf Kölle und ist -so bekloppt sich das anhört- nicht ganz unschuldig daran, dass ich seit 1977 hier lebe. Das Lied gibt es noch heute, allerdings in freundlicheren Versionen ohne gebrochenen Schlüssel. Meine Kinder haben es vor zwanzig Jahren so gesungen: “Tuff tuff tuff tuff Eisenbahn, wer will mit in’ Urlaub fahr’n? Alleine reisen mag ich nicht, da nehm’ ich mir die Oma mit…

Nebenbei gesagt: Kindische Männer singen das Liedchen auch noch, wenn sie erwachsen sind, dann aber eher in der albernen Blödelversion von Wigald Boning und Olli Dittrich (“Die Doofen”): “Tuff, Tuff, Tuff ( Wir fahren in den Puff )” https://www.youtube.com/watch?v=ctmlV2ZzelQ, einer Art Vorläufer-Liedchen des diesjährigen Ballermann-Tophits Layla.

Doch der aktuelle Plan der Deutschen Bahn ist, was Köln-Nippes angeht, nicht einmal mehr schön blöd, sondern gar nicht mehr schön, denn was man uns androht, ist der “Bau eines Zuführungsgleises und damit einhergehend die Zerstörung großer Teile des letzten Grüns diesseits der S-Bahn-Linie, eine jahrelange Großbaustelle in unmittelbarer Siedlungsnähe und -nach Beendigung der Bauarbeiten- ein stetiger nächtlicher S-Bahn-Verkehr („Geisterzüge“).https://stellwerk60.com/2022/09/27/elfchen-im-neunten-liebe-laermschutzriegel-bewohnende/

Mitglieder des Vereins Nachbarn 60 der autofreien Siedlung hatten -wie berichtet- Ende Juli eine Arbeitsgruppe gebildet, um eine gemeinsame Einwendung zu formulieren und Unterschriften gegen den Ausbau zu sammeln. Wir -ich war mit dabei- standen nicht nur unter leichtem Schock, sondern unter ziemlichem Zeitdruck, denn der Abgabetermin bei der Bezirksregierung war der 15.8.2022. Wir hatten erst spät realisiert, dass ein erneutes Planfeststellungsverfahren läuft, denn erst durch Mails und Aushänge der Anwohnergemeinschaft Nippes (AWG) waren wir (mitten in den NRW-Sommerferien, aber gerade noch rechtzeitig!) wachgerüttelt worden. https://www.awg-nippes.de/grossbaustelle-bahn-in-koeln-nippes-verfahren-geht-wieder-los-einwendungen-bis-15-08-2022-moeglich/

Wir machten die Erfahrung, dass es sehr schwer es ist, eine Nachricht innerhalb der ganzen Siedlung zu verbreiten, noch dazu eine höchst unangenehme. Die Mitglieder des Vereins Nachbarn60 sind zwar über einen Mail-Verteiler miteinander verbunden, aber nicht alle Bewohner sind im Nachbarschaftsverein. Viele Nachbarn konnten und wollten die Sache nicht ernst nehmen. Auch ich hätte mich gerne doof gestellt, was mir aber mit zunehmendem Alter kaum noch gelingt. Dennoch schafften wir es, unsere gemeinsame Einwendung noch rechtzeitig abzugeben und allein in der autofreien Siedlung 280 Unterschriften zu sammeln, was etwa 20% aller Bewohnerinnen und Bewohner entspricht.

Weder die Stadt Köln noch Die Bahn ist einer Informations- oder Aufklärungspflicht nachgekommen- weil es so etwas nicht gibt. Wir waren ahnungslos und sollten es bleiben. Aus “gutem” Grund sind Stadt und Bahn offenbar nicht daran interessiert, die Menschen aufzuklären, zu informieren und in die Planungen mit einzubeziehen. Obwohl (oder weil?) der Bau des Zuführungsgleises ein massiver Einschnitt wäre und obwohl (oder weil?) es menschenfreundlichere, wenn auch teurere Alternativen gibt, will man keine Einwände hören, vor allem kein klares NEIN. Man tut so, als würde uns unmittelbar Betroffene die Angelegenheit nichts angehen. Mit dem vielbeschworenen demokratischen Dialog hat das nichts mehr zu tun.

Darüberhinaus unterliegen mögliche Einwände einer bürokratisch verklausulierten Widerspruchs-Logik, die eigentlich unlogisch ist: Wer sich nicht bis zum 15.8.2022 formal korrekt ausdrücklich gegen das Zuführungsgleis ausgesprochen hat, ist rein rechtlich dafür. Mit anderen Worten: Später kann man zwar sagen, man sei gegen den Gleisbau gewesen, aber juristisch ist das belanglos. Zum Beispiel können Haus- und Wohnungsbesitzer, die sich nicht bis zum 15.8.2022 formal korrekt ausdrücklich gegen das Zuführungsgleis ausgesprochen haben, später nicht mehr die zu erwartende Wertminderung ihrer Immobilie einklagen. Doch wie soll man Widerspruch einlegen gegen ein Vorhaben, über das man nicht einmal informiert wurde? Das ist grotesk und zutiefst undemokratisch.

Nun ist das aktuelle Nippeser Planfeststellungsverfahren (in dessen Rahmen man derzeit die Einwände prüft) nicht das erste. Die Deutsche Bahn musste seit 2007 bereits mehrmals “nachbessern”, vor allem, was die Höhe der geplanten Lärmschutzwände angeht, denn der zu erwartende Bahnlärm wäre enorm. Ich habe noch einmal woanders hingeguckt, nicht auf die Höhe, sondern auf die Länge der zu erwartenden Lärmschutzwände.

Hier offenbart sich die tragikomische Seite sogenannter “Lärmschutz-Maßnahmen”. Was uns nämlich zusätzlich zum Zuführungsgleis droht, ist ein völlig unzureichendes und noch dazu potthässliches Lärmschutz-Ungetüm, eine “Neu-Nippeser Mauer” mit einer Höhe von zwei bis vier bzw. sechs Metern. Unter dem Vorwand, uns schützen zu wollen, sollen die “Lärmschutzwände” lang ausfallen, sehr lang, sehr sehr lang. Was die Länge betrifft, muss die Bahn nicht einmal mehr nachbessern. Westlich der Gleisanlagen (dem Stadtteil Bilderstöckchen zugewandt) wäre, so hat man errechnet, eine Lärmschutzwand mit rund 430 m Länge erforderlich. Östlich der Gleisanlagen (Nippes und den Eisenbahner-Siedlungen zugewandt) plant man im Bereich des Zuführungsgleises drei Lärmschutzwände. Die eine hat eine Länge von knapp 290 m, eine zweite soll 640 Meter lang sein und eine weitere rund 425 m. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, sind das insgesamt 1355 Lärmschutzmeter. Will man Lärmschutz-Rekorde brechen?

Abgesehen davon, dass die Bewohner oberer Stockwerke (insbesondere der Mehrfamilienhäuser “Am Ausbesserungswerk”) den Bahnlärm nach Fertigstellung der Gleisanlage auch bei einer Höhe von sechs Metern mit voller Wucht abkriegen würden, bedeutet eine 1355 Meter lange Lärmschutzwand einen erheblichen Eingriff in die Integrität des ohnehin schon schwer in Mitleidenschaft gezogenen Lebensraums aller hier beheimateter Lebewesen.

Um zu verdeutlichen, wie monströs die “Neu-Nippeser Mauer” wäre, veröffentliche ich hier noch einmal die Gegenüberstellung zweier Fotos aus meinem oben erwähnten Blog-Beitrag vom 27.9.2022. Wer in die Fotomontage der AWG (rechtes Bild) noch zusätzlich zur Bahn eine Lärmschutzwand hinein imaginiert, kann sich vielleicht vorstellen, wie irrwitzig die Pläne der Deutschen Bahn sind: Noch vor dem Zuführungsgleis soll in einer Länge von 425 Metern eine in diesem Bereich sechs Meter hohe “Lärmschutzwand” errichtet werden.

Kürzlich habe ich den Bereich “Am Ausbesserungswerk” noch einmal von der anderen, der Südseite aus fotografiert. In den schmalen Streifen zwischen bestehender Bahntrasse und Fußweg sollen zwei Gleise (denn hier ist das Zuführungsgleis zum Zwecke quetschender nächtlicher Wendemanöver zweigleisig geplant!) und die Lärmschutzwand nebeneinander hineingebaut werden.

Sooo deutsch ist eine bestehende Schilder-Allee: Aktuell weisen, ordentlich aufgereiht, insgesamt 15 rot umrahmte Schilder darauf hin, dass man für die Feuerwehr Platz lassen soll. Für die gäbe es allerdings -so hat man errechnet-, würde das Zuführungs-Gleis gebaut, kein ordnungsgemäßes Durchkommen mehr.

Ergänzung Juni 2023: Wie es nach einer Nacht- und Nebel- Aktion (“prophylaktischer Kahlschlag”) im Frühjahr 2022 hier bzw. wenige wenige hundert Meter weiter aussah, hat Bernd Schöneck vom Kölner Stadtanzeiger in einem Artikel vom 10.3.2022 festgehalten. https://www.ksta.de/koeln/nippes/koeln-nippes-baeume-am-bahndamm-gerodet-anwohner-ensetzt-159449

Male ich mir all das aus, fühle ich mich in keiner Weise geschützt, sondern der Willkür der Deutschen Bahn schutzlos ausgeliefert. Es ist, als seien wir Menschen kleine Spielfigürchen, vergleichbar mit denen, die jedermann beim Modellbau-Anbieter Faller bestellen kann. E

Apropos Faller: Der Weihnachtsmann der Deutschen Bahn hat -so wurde mir erzählt- auch in diesem Jahr in ganz Köln Geschenke verteilt. Aber die wirklich hochwertigen Geschenke, so soll der Weihnachtsmann der Deutschen Bahn augenzwinkernd betont haben, die gab es exklusiv für die Pänz aus Köln-Nippes.

Der

Weihnachtsmann der

BAHN kam nicht

mit leeren Händen, sondern…

Faller-Lämschutzwänden!

Bildschirmfoto 2022-12-26 um 17.40.56

Eine Lärmschutzwand im Mini-Format. Bestimmte Produkte sind laut Faller für Kinder unter drei Jahren wegen verschluckbarer Kleinteile nicht geeignet. Diese Faller-Lärmschutzwand ist ungefährlich für Kinder unter drei, könnte aber Kindern über drei Jahren Lust machen auf reale Kletterpartien. Meines Wissens fehlt bei dem Produkt der Zusatz “nicht geeignet unter 14 Jahren”. Wo er nicht fehlt, das sind die Faller-Strommasten, die man ebenfalls bestellen kann und die sich wunderbar mit der Lärmschutzwand kombinieren lassen. Abenteuerlustige Kinder bekommen sehr schnell heraus, dass sich Faller-Lärmschutzwände mit Faller-Figürchen beklettern lassen. Was die echten Lärmschutzwände betrifft: Da wird weiterhin “nachgebessert”, was die Höhe betrifft. Das freut die waghalsigen Kinder, denn Lärmschutzwände probiert aus, wem es im Frechener Chimpanzodrome zu langweilig ist.

Dreifach-Elfchen im Elften: Kinder, die was wollen

Kinder,

die was

wollen: MamaBaba,

Challah, Kinder, die nicht

schlafen

wollen,

wenn sie

sollen, und was

auf die Bollen kriegen

könnten,

was

sie nicht

mehr sollen, kriegen

jetzt was in die

Bollen

***

In Artikel 20 des Grundgesetz(es) für die Bundesrepublik Deutschland heißt es:

“… (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt ...” Zitiert nach wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Artikel_20_des_Grundgesetzes_f%C3%BCr_die_Bundesrepublik_Deutschland

Tatsächlich ist unsere Möglichkeit, mitzuentscheiden oder auch nur mitzusprechen, begrenzt. Alle Jahre wieder gehen wir ein Wahllokal und dürfen ein Kreuz in einen Kringel malen, zwischen den Wahlen dürfen wir nicht einmal das.

Immerhin können wir beim “Gang zur Wahlurne” ausdrücken, mit wem wir sympathisieren. Vor dem Kringel steht der Name einer Kandidatin, eines Kandidaten oder einer Partei. Aber können wir diesen Personen vertrauen? Zur Erinnerung: Olaf Scholz hatte im Wahlkampf 2021 das Versprechen abgegeben, dass es keine Impfpflicht geben werde -und sollte dieses Versprechen brechen, noch bevor er am 8.12. 2021 zum Kanzler gewählt wurde.

Ich habe in naiver alter Treue DIE GRÜNEN gewählt- und bin Annalena Baerbock auf den Leim gegangen. Die spätere Außenministerin warb auf großformatigen Plakaten mit dem alten GRÜNEN-Grundsatz, der auch im aktuellen Wahlprogramm stand: “Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete”. Doch der große Leit-Gedanke verkümmerte im Wahlkampf zur hohlen Werbe-Parole. Mit den Waffen- und Panzerlieferungen an die Ukraine wurde nicht nur ein Wahlkampf-Versprechen gebrochen, sondern ein politisches Credo verramscht.

Nun ist die Bundesregierung dazu verpflichtet, uns, die wir nicht mitentscheiden können, über die Bundespolitik zu informieren. “Am 2. März 1977 unterstrich das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit: Sie muss die Bürgerinnen und Bürger über entscheidende Sachfragen umfassend informieren. Nur so kann jede Einzelne und jeder Einzelne die getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschläge richtig beurteilen, sie billigen oder verwerfen (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 44, 125 (164)).” https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/bundespresseamt/recht-auf-information-460940

Das klingt erst einmal gut. Allerdings sind die Informationen, die etwa das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (“Bundespresseamt”) herausgibt, mehr als nur dürftig. Damit unsere Gedanken ausgewertet und verwertet werden können, werden sie eingeebnet und in vorgefertigte Bahnen gelenkt. Unsere Meinung hat zwar keinen Wert mehr, aber einen Mehrwert im Zusammenhang mit Meinungsumfragen, an denen wir teilnehmen können, um unsere Meinung zu sagen.

Vor Menschen, die sich nicht verblöden lassen, hat die Polit-Spitze Angst. Was für autoritäre Personen gilt, gilt auch für latent labile autoritäre Systeme: Die Nerven liegen blank. Man reagiert, indem man die Kritiker ins Unrecht setzt und sich selber ins Recht – und draufhaut. Nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953, der blutig und brutal niedergeschlagen wurde, hat Bertolt Brecht in seinem ironischen, hochaktuellen Gedicht dem arrogant-totalitären Regime der DDR eine “Lösung” vorgeschlagen, wie sie sich das Volk vom Hals halten kann: “… Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?”

Das klingt verlockend, auch in den Ohren autoritär strukturierter Ampel-Politiker, doch die Sache hat einen Haken. Die Bundesregierung braucht uns. Schließlich sind wir -das Volk- diejenigen, die das Wohlleben der Polit- und Medienprominenz finanzieren, die Steuern zahlen, Rundfunk- und Energiegebühren etc., und das in einer Höhe, die wiederum von der Politik festgelegt wird. “Die Prominenten leben in ihrer wohltemperierten Blase und haben Angst, dass die Blase, die immer dicker wird, platzt”, sagte einmal meine Nachbarin, die Frau Keuner. “Irgendwann wird sie das. Die Demokratie, das sind wir.https://stellwerk60.com/2021/04/20/fur-den-franz-josef-straus-waren-die-kritischen-menschen-weder-wutburger-noch-verschworungstheoretiker-sondern-ratten-und-schmeisfliegen-weiter-gehts-mit-der-frau-keuner/

Weil sie genau das fürchtet und ahnt, greift die Bundesregierung immer tiefer in die Trickkiste primitiver und zunehmend aggressiver Werbung. Wir -das Volk- werden für doof verkauft und müssen das noch teuer bezahlen. Mit sachlicher Information bzw. Aufklärung hat die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung spätestens seit der “Pandemie” nichts mehr zu tun.

Schon Ende 2020 wies die FAZ darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Werbeausgaben im Jahr 2020 deutlich erhöht hat. “Den größten Anstieg verzeichnete demnach das Gesundheitsministerium. Die Bruttowerbeausgaben des Spahn-Ministeriums sind von etwa 3 Millionen im Vorjahr auf 60 bis 70 Millionen Euro angewachsen. Größter Kostenpunkt ist mit 35 Millionen Euro die Kampagne „Zusammen gegen Corona“.” https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/regierung-gibt-viel-mehr-fuer-werbung-aus-17058924.html Die Werbeausgaben des Bundesgesundheitsministeriums haben sich demnach innerhalb eines Jahres mehr als verzwanzigfacht! Und dabei waren im Jahr 2020 die Impf-Werbekampagnen gerade erst angelaufen.

Im Jahr 2021 haben sich die Werbeausgaben des Gesundheitsministeriums im Vergleich zu 2019 sogar verfünfzigfacht. Auf kress.de schrieb Marvin Oppong im März 2022: “Die Bundesregierung hat seit Beginn der Pandemie ihre Werbeausgaben drastisch gesteigert, um die Ausbreitung von Covid-19 zu bremsen und die Menschen zum Impfen zu animieren. Allein das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gab im vergangenen Jahr 144,6 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Coronavirus aus, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht.” https://kress.de/news/detail/beitrag/149100-ueberraschender-geldsegen-fuer-die-medien-so-viele-millionen-gaben-spahn-und-lauterbach-fuer-ihre-corona-kampagnen-aus.html

Es ist kein gutes Zeichen für den Gesundheits-Zustand einer Demokratie, wenn die Volksvertretung nicht mehr auf Dialog und Aufklärung setzt, sondern auf Manipulation. In Deutschland war nicht Auflösung des Volkes die Lösung, sondern dessen Entmündigung und Verblödung. Schließlich waren die staatlichen Corona-Maßnahmen von Beginn an mehr als fragwürdig und stellten einen massiven Eingriff in unsere Grundrechte dar.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlor mit der “Pandemie” vollends seine Glaubwürdigkeit. Hier hatte die Bundesregierung ihre zentrale Plattform für die Gesundheitsaufklärung. Ihre volle Wirkung konnte die Werbung aber nur deshalb entfalten, weil die TV- Und Radiospots, die für Maßnahmen und Impfung warben, von vermeintlich objektiven Beiträgen flankiert wurden. Doch gerade dort, wo -wie wir alle glauben sollen- sachlich und gewissenhaft aufgeklärt wird, in den Wissenschaftssendungen, mutierte die Moderation zur Hofberichterstattung.

Nicht nur Gesundheitsminister Karl Lauterbach verdankt der “Pandemie” einen Karrieresprung, sondern auch viele Expertinnen und Experten, etwa die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim, die bereits Anfang 2019 im Vorfeld von Corona und im Auftrag des WDR einen tapferen Selbstversuch unternahm. Nur ein Jahr vor Beginn der Corona-“Pandemie” streifte Mai Thi Nguyen-Kim für “Quarks” das Jäckchen ab und ließ sich vor laufender Kamera eine Spritze in den Arm stechen bzw. gegen die Grippe impfen, und zwar, um die Glaubwürdigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, von einem wissenschaftlich anerkannten Impfexperten, dem Leiter des Leber- und Infektionszentrums Düsseldorf an der Universitätsklinik, Professor Dieter Häussinger. Den Selbstversuch unternahm Mai Thi Nguyen-Kim, wie es im Begleittext des WDR heißt, “… Um den Geheimnissen des Impfens auf die Spur zu kommen…” https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/quarks-und-co/video-mai-thi-laesst-sich-gegen-grippe-impfen-100.html Zwar ist das, was Mai Thi erfährt und uns erklärt, allgemein bekannt und wenig geheimnisvoll, aber niedlicher und verharmlosender kann ein Werbefilm für die Grippeimpfung kaum daherkommen. “Das hat jetzt wirklich nur kurz gepiekst”, sagt Mai Thi nach der Impfung. Süß.

Knapp drei Jahre später plädiert Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem Youtube-Kanal maiLab für eine Corona-Impflicht und richtet in einem flapsig-jugendlichen Ton einen flammenden Appell an die Bundesregierung, die sich doch endlich für eine Impfpflicht stark machen möge. Der Vortrag wirkt gekünstelt, die beliebte Wissenschaftsjournalistin hochnervös und marionettenhaft.

Doch warum wirkt ihr mädchenhaft-neckischer Charme mit einemmal unecht und aufgesetzt?

Der Beitrag ist vom 14. November 2021. Längst war durchgesickert, dass sich in Südafrika eine harmlosere Corona-Variante entwickelt hatte, die man später Omikron nannte. Es war eine Frau, die Anfang November 2021 als erste Medizinerin auf die neue Variante und die mit der neuen Variante einhergehenden deutlich leichteren, die Lunge verschonenden Krankheitsverläufe aufmerksam gemacht hatte: Die Allgemeinmedizinerin und Vorsitzende der South African Medical Association (SAMA), Angelique Coetzee.

Anfang 2022 erzählt Angelique Coetzee in einem Interview, dass man ihr verboten habe, die Wahrheit zu sagen. “Angesicht des milderen Verlaufs hätten Regierungen „definitiv überreagiert“, meint Coetzee im Interview mit WELT. Doch zunächst sollte die Nachricht der leichteren Krankheit gar nicht in den Umlauf gelangen. „Mir wurde gesagt, ich solle öffentlich nicht erklären, dass es eine milde Erkrankung sei. Ich wurde gebeten, von derartigen Äußerungen Abstand zu nehmen und zu sagen, es sei eine ernste Erkrankung. Das habe ich abgelehnt.“ https://www.merkur.de/welt/omikron-entdeckerin-corona-variante-afrika-milder-leichterer-verlauf-zr-91341362.html

Um die Verläufe beobachten zu können, so Angelique Coetzee weiter, “müssten Wissenschaftler auch immer die Basis, die Erfahrungen der Ärzte zu einer Variante, miteinbeziehen. „Bei den Hausärzten, die täglich Erkrankte behandeln, muss nachgefragt werden, was sie erleben, wie sich das Krankheitsbild darstellt“, so die Medizinerin. „Das ist hier nicht passiert.“ ” (s.o.)

Vermutlich haben weltweit Wissenschaftler (nebst -innen) bewusst weggehört, denn Omikron stellte nicht nur die Autorität der tonangebenden Wissenschaft in Frage, sondern auch die Weiterführung rigoroser Corona-Maßnahmen sowie die Massenimpf- Politik. Ich vermute, dass die Hardlinerin Mai Thi Nguyen-Kim, als das Video erschien, längst im Bilde war und sich mit dem Gesundheitsministerium abgesprochen hatte. Doch wie reagieren Mächtige, die sich verrannt haben und mit dem Rücken zur Wand stehen? Nicht besonnen, sondern mit doppelter Härte.

So erfüllte Bundeskanzler Olaf Scholz Ende November 2021 der beliebten Mai Thi ihren großen Wunsch, vergaß sein Wahlversprechen, dass es keine Impfpflicht geben werde, und kreierte stattdessen eine Drohung, die er -psychologisch clever- auch noch als Geschenk verpackte, als ein neues “Versprechen”, ein sogenanntes “Impfpflichtversprechen”. “… Scholz hatte Ende November im ZDF gesagt, eine allgemeine Impfpflicht solle „ab Anfang Februar, Anfang März“ für alle in Deutschland gelten. – um endgültig die Pandemie zu überwinden...” https://www.tagesspiegel.de/politik/scholz-kann-impfpflicht-versprechen-nicht-halten-4776553.html

Es empfiehlt sich, sich den Beitrag mit dem banalisierenden Titel “Impfpflicht ist OK” ein Jahr später noch einmal anzugucken. Mittlerweile habe ich die nötige Ruhe dazu. Jetzt, wo die Impfpflicht-Drohung längst passé ist und endlich auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Jahresende “ausläuft”, erleben wir eine Phase, die hoffentlich mehr ist als nur eine “Verschnaufpause”.

Doch im Allgemeinen sind es nicht einmal Lügen, die man uns auftischt. Manipuliert werden wir insbesondere durch die gezielte Verbreitung von Halbwahrheiten, und das mit dem Segen der “Wissenschaft”. Erwachsene schaffen es immer noch, Fernseher oder Radio auszuschalten. Kinder können das schlecht, sie bleiben dran, vor allem dann, wenn DIE MAUS kommt. https://stellwerk60.com/2021/09/27/wie-man-kindern-halbwahrheiten-einimpft-die-fragwuerdigen-werbeauftritte-der-oeffentlich-rechtlichen-maus/

August 2021: Ich bin mit einigen alten Schulfreundinnen verabredet. Seit über 40 Jahren treffen wir uns alle paar Jahre, diesmal bei Pia in Mönchengladbach. Wir versuchen, das Thema “Corona” auszuklammern, was nicht ganz einfach ist. Betty, Kinderärztin mit eigener Praxis, befürwortet die Corona-Impfung, die nur wenige Tage später von der STIKO für alle 12-17jährigen empfohlen werden sollte. Ich schweige.

Doch Betty ist nicht nur eine Kinderärztin, die -wie ich finde- allzu gerne impft, sondern ein nachdenklicher, moralischer Mensch. Kürzlich, so erzählt sie, habe eine Mutter filmen wollen, wie ihr Baby geimpft wird. Betty war entsetzt. “Ich muss Ihrem Kind jetzt wehtun”, hat sie zu der Mutter gesagt. “Das können Sie doch nicht filmen.”

Das Anliegen der Mutter überrascht mich nicht. Sie hat sich nichts dabei gedacht zu filmen, wir ihr Kind geimpft wird. Schließlich hat man im Rahmen der Schwangerenvorsorge ihr Kind schon fotografiert oder sogar gefilmt, als es noch gar nicht geboren war. Außerdem bekam die Frau -wie wir alle- überall per Werbefoto oder Film “abwechslungsreich” vorgeführt, wie Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher Hautfarbe geimpft wurden.

Doch was macht eigentlich eine Impfung per Spritze so heikel?

Mit einer Hohlnadel durchsticht Medizinerin oder Mediziner die Haut, dringt in den Muskel ein und spritzt eine Flüssigkeit in den Muskel. Das muss nicht unbedingt schmerzhaft sein, ist aber eine Grenzüberschreitung. Aus juristischer Sicht sind Injektionen gemäß § 223 StGB grundsätzlich eine Körperverletzung. Zudem ist die Injektionsspritze -mehr noch als das Stethoskop- Symbol ärztlicher Macht. Darüber hinaus hat das Verabreichen einer Spritze aggressiv-sexuelle Momente. Medizinisch sind Injektionen vielfach unumgänglich, sie gehören zum ärztlichen Alltag. Ärzte realisieren jedoch viel zu selten, dass das, was für sie Alltag ist, für den Patienten eine unangenehme Ausnahme bedeutet. Insbesondere bei der Behandlung von Kindern ist äußerste Vorsicht geboten. Vgl: https://stellwerk60.com/2021/06/30/elfchen-im-sechsten-kinderfruherkennung/

Am 17. September 2021 schrieb ich in meinem Blog-Beitrag zu “Karlimpf in allen Gassen”: “Medizinische Maßnahmen als Mittel zur Unterwerfung einzusetzen, ist verwerflich. Seinen entsetzlichen Höhepunkt hatte dieser Wahnsinn in den 1950er und 60er Jahren, als Heimkinder, die keine schützenden Eltern hatten, vielerorts in Deutschland systematisch gequält, ruhig gestellt, misshandelt und (auch für pharmazeutische Studien und Experimente) missbraucht wurden. Zum Einsatz kam hierbei medizinisches Gerät, insbesondere die handliche Injektions-Spritze. „In einer Art Verteidigungsschrift an den Essener Caritas-Direktor bestritt Strehl zwar die Anwendung solcher „Kotzspritzen“, doch zeigen die Quellen ein anderes Bild. Neben den zeitgenössischen Unterlagen berichteten auch verschiedene Heimbewohner über die Verabreichungspraxis solcher Spritzen, die Strehl bei Stationsvisiten offenbar immer bei sich trug, um renitente Kinder bei Bedarf direkt sedieren zu können.” https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMI17-20.pdf

Dringend verboten werden müsste die öffentliche Zurschaustellung des Impfakts – insbesondere zu Werbezwecken. Die Vorführung stellt nicht nur den Menschen in seiner Verletzlichkeit bloß, sondern verhöhnt das ärztliche Ethos.

Wie in einer Wiederholungsschleife werden und wurden wir -insbesondere auf dem Höhepunkt der Corona-Impfeuphorie- selbst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit Darstellungen von Impfungen konfrontiert. Auf diese Weise wird eine unserer primitivsten Gefühlsregungen genährt, der Voyeurismus. Mit Aufklärung hat das nichts mehr zu tun.

Anders als Kinderärztin Betty dürften es manche ihrer Kollegen in Ordnung finden, beim Impfen gefilmt zu werden. Irgendwoher müssen die Filme und Bilder, die wir angesichts der Corona-Impfung zu sehen kriegen und die immer häufiger die Kinderimpfung zeigen, ja stammen.

Auf der Internetseite des Bundeskriminalamts (BKA) heißt es: „Kinderpornografie ist die fotorealistische Darstellung des sexuellen Missbrauchs einer Person unter 14 Jahren (Kind).” Ich denke, dass die fotorealistische Darstellung der Impfung eines Kindes die Phantasien pädophil gestörter Männer ebenfalls anregt. Dass das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen der Impf-Werbung diese Bilder in Umlauf bringt bzw. bringen lässt, ist meines Erachtens verwerflich.

Zu (verdeckt) kinder-pornografischer Werbung im öffentlichen Raum siehe auch: https://stellwerk60.com/2021/07/25/unser-bester-schutz-die-aktuelle-hansaplast-werbung-durfte-gestorte-manner-zum-konsum-von-kinderpornos-ermuntern/

Unannehmbar finde ich, dass im Zusammenhang mit der in Deutschland gerade angelaufenen Kleinkind-Impfung Bilder von Baby-Impfungen gezeigt werden. Unten stehendes Bild erschien am 17.11.2021 auf web.de. Dass das Baby eine Windel trägt, dass es festgehalten wird und die impfende Person den Muskel zusammendrückt, erhöht vermutlich den yoyeuristischen Kitzel.

P1080903

Mich hat das mehr als fragwürdige Werbebild zu meinem (diesmal Dreifach-) Elfchen des Monats inspiriert, das ich an den Anfang meines Beitrags gestellt hatte, aber hier noch einmal wiederhole:

Kinder,

die was

wollen: Mama, Baba,

Challah, Kinder, die nicht

schlafen

wollen,

wenn sie

sollen, und was

auf die Bollen kriegen

könnten,

was

sie nicht

mehr sollen, kriegen

jetzt was in die

Bollen

***

Gerade das Internet ist voller verdeckt pornografischer Einsprengsel und “Botschaften”. Daher möchte ich meinen unten abgebildeten “Schnappschuss” vom 2.11.2021 ein zweites Mal veröffentlichen. Vgl.: https://stellwerk60.com/2021/11/30/elfchen-im-elften-the-great-health-dictator/

Schnappschuss vom 2.11.2021. Ich halte meine Kamera auf die Internetseite boerse.de. Was ich fotografiere, ist nicht eine einzelne Werbeanzeige, sondern sind zwei verschiedene Anzeigen, die für kurze Zeit (wie zufällig) nebeneinander auf dem Bildschirm erscheinen. Die moderne Internetwerbung ist weitaus wirkungsvoller als die klassische Werbung in den Printmedien, denn sie arbeitet gezielt mit Zusammenschnitten und beweglichen Bildern – und spielt dabei mit den mehr oder weniger bewussten Phantasien der User.  Hier sehen wie eine Altherren-Phantasie im 21. Jahrhundert: Ein kleines kokettes Mädchen mit einem Sparschweinchen unterm Arm. Rührend, nicht wahr? Das Mädchen trägt ein Flügelhemd, dessen Ärmel man, wenn es geimpft wird, ganz leicht hochheben kann. Als wir kleine Mädchen waren, wurde uns gesagt, dass wir von fremden Männern nichts annehmen dürften. Doch Bill Gates ist kein fremder Mann, und die Millionen kleiner Mädchen impft er nur in Gedanken… Aber warum finde ich das kleine Mädchen kokett? Ich gucke mir das Bild noch einmal genauer an. Was ich unbewusst aufgenommen hatte, nehme ich jetzt bewusst wahr: Das Mädchen spitzt nicht nur den Mund, sondern drückt ihr Kinn so zusammen, dass es aussieht, als berühre sie ihre Schamlippen. Ich fürchte, der Fotograf hat ihr genau gesagt, wie sie sich anzufassen hat. Diese Werbeanzeige, die seit Wochen auf der Internet-Seite boerse.de für den “Boerse.de-Weltfonds” wirbt, oberste Zielgruppe: Wohlhabende Rentner, ist meines Erachtens ein Fall von Kinderpornografie. Der Zusammenschnitt beider Werbeanzeigen jedoch (Foto: boerse.de, 2.11.2021) ist nicht nur pornografisch, sondern der Gipfel der Schamlosigkeit.

Villa Woelki im Beichtstuhl-Outfit: Eine neue Lachnummer der Katholischen Kirche im Erzbistum Köln

Die großen deutschen Kirchen besitzen riesige Vermögen. Wir wissen, dass die Kirchen zwar Steuern einziehen, aber als als gemeinnützige, wohltätige beziehungsweise kirchliche Organisationen keine zahlen. Weniger bekannt ist, dass die Kirchen große staatliche Geldsummen erhalten – noch über die Zahlungen für Arbeit im sozialen Sektor hinaus. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ Welche politischen Befugnisse die Kirche hat , erläutert der erfrischend unsentimentale Politologe Carsten Frerk 2015 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Die Vertreter der Kirchen, so Frerk, “haben einen Sonderstatus im deutschen Bundestag. Sie können ein und ausgehen, wie es ihnen beliebt. Die Kirchen sagen selbst, dass sie in allen Stadien wichtiger Gesetzesprozesse involviert sind. Selbst in der gerade erst gegründeten Atomkommission, die eine Lösung für die Finanzierung des Atomausstiegs finden soll, finden sich zwei Bischöfe. Hier findet christliche Einflussnahme statt, ohne dass es hierfür eine gesellschaftsrechtliche Grundlage gibt.https://www.wiwo.de/politik/deutschland/carsten-frerk-ueber-die-privilegien-der-kirchen-der-staat-macht-sich-zum-devoten-deppen/12559868-all.html

Macht und Geld interessieren ein “Engelchen” nicht.
1964: Eine Hochzeit in der Bottroper St. Elisabeth- Kirche. Meine Zwillingsschwester und ich sind als “Engelchen” engagiert.
Nach der Hochzeit (rechtes Bild): Während meine Schwester (rechts) diszipliniert die Hände faltet, kann ich kaum noch ruhig stehen, weil ich nur noch an die Bälle denke, die wir zur Belohnung gekriegt haben. Die Taschen unserer Kleidchen sind verdächtig ausgebeult, denn bei der Kaffeetafel (s. Tischkärtchen) gab’s nicht nur Kuchen, sondern auch Süßigkeiten.
Die großen katholischen Feste hatten zur Freude der Christen immer auch lebensfrohe heidnische Momente. Dass “Engelchen” (oder auch “Blumen-Mädchen”) Blüten streuen, über die die Eheleute dann laufen “müssen”, geht auf einen heidnischen Fruchtbarkeits-Brauch zurück. Die gestreuten Blüten bescheren den Brautleuten einen reichen Kindersegen. Es heißt, dass der Duft der Blüten die Fruchtbarkeitsgöttinnen anlockt.
Der Auftritt sollte nicht unser einziger bleiben. Man lud uns gerne zu Hochzeiten ein, denn als Zwillinge standen wir mit den Fruchtbarkeitsgöttinnen in enger Verbindung.
Mittlerweile hat sich einiges verändert: Im Jahr 2019 wurde die Bottroper St. Elisabeth-Kirche, wo wir später auch zur Kommunion gegangen sind, entweiht – wie viele andere Kirchen.
Die Geburt von Zwillingen haben wir heutzutage nicht mehr nur dem Zufall oder der guten Laune heiterer Fruchtbarkeitsgöttinnen zu verdanken, sondern immer häufiger dem kalten Instrumentarium der Reproduktionsmedizin.

Wie eng verfilzt Staat und Kirche sind, brachte die “Pandemie” zu Tage. Wr erlebten groteske Auswüchse, wie etwa digitale Gottesdienste inklusive digitalem Klingelbeutel (!) oder Heilige Messen im Autokino. Dabei kamen die Corona-Abstandsregeln der klerikalen Berührungsscheu verkrampfter Geistlicher durchaus entgegen. Ich möchte noch einmal an Woelkis öffentlichen Brief an die „Schwestern und Brüder“ vom 19. März 2020 erinnern. Darin schrieb er: „Selbst in Kriegszeiten sind die Gottesdienste nicht ausgefallen, doch nun haben wir uns nach sehr ernsthaften Diskussionen dazu entschlossen, die körperlichen Versammlungen von Christen auszusetzen… ” Vgl.: https://stellwerk60.com/2020/04/09/fake-news-erzbischof-kardinal-woelki-wird-heute-den-menschen-die-fuesse-waschen/

Dass im Kölner Dom an Heiligabend geimpft wird, wird uns dieses Jahr hoffentlich erspart bleiben.

Derweil gilt es, den Schönen Schein zu wahren. Das “Haus der Kirche” in Köln-Nippes wird nicht nur das Pfarrbüro von St. Marien beherbergen, sondern auch das Caritas-Zentrum sowie Wohnungen und eine Arztpraxis. Es ist während der “Pandemie” gebaut worden, also während Woelki -was allgemein bekannt war- den Bericht zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln weiter vor sich herschob. Ich denke, etwas mehr Bescheidenheit in der Namensgebung wäre da durchaus angemessen gewesen.

Beim Bau des Hauses ist zu meiner Genugtuung ein Fauxpas passiert. In diesem Fall sitzt der Teufel im Detail, hämisch lachend hockt er in der Außen-Fassade.

Das in die bronzenen Metall-Abdeckungen eingestanzte Muster (kleine Kreuze bzw. Blüten) kam mir bekannt vor. Genau dieses Muster haben manchmal die Gitter in den Beichtstühlen katholischer Kirchen. Doch warum haben Beichtstühle überhaupt Gitter? Wikipedia gibt Aufschluss: “Eingeleitet durch die Synode von Fritzlar (1244) entwickelte sich das (doppelte) Gitterfenster als Trennwand zwischen Priester und Beichtendem. Die Gitter sollten Berührungen in beide Richtungen verhindern und somit auch eventuellem sexuellem Missbrauch vorbeugen.[4] Dennoch kam es häufig zu verbalen Übergriffen seitens des Beichtvaters, die sich außerhalb des Beichtstuhls fortsetzen konnten, wie zum Beispiel bei der Beichtstuhl-Affäre der Jahre 1871/72 in Linz. Die zuvor übliche Absolution durch Handauflegen wurde seitdem abgelöst durch das segnende Kreuzzeichen.” https://de.wikipedia.org/wiki/Beichtstuhl

Sexuellen Missbrauch von Seiten Geistlicher gibt es also sehr viel länger, als man meinen sollte. Jetzt lacht der Teufel noch lauter – und empfiehlt mir ein erhellendes Interview mit dem Kirchenhistoriker Claus Arnold von der Johannes Gutenberg Universität in Mainz: https://www.sueddeutsche.de/kultur/missbrauch-katholische-kirche-vatikan-sexuelle-gewalt-1.4342244

“Meine” drei Männer (mein Vater, mein Bruder, mein Mann) waren in ihrer frühen Jugend Messdiener. Sie sind zu sanften, verantwortungsbewussten Männern herangewachsen: Freundlich, nur ein bisschen zu sehr, vom Schlag derer, die, wenn man sie ohrfeigt, dem Angreifer noch die zweite Wange hinhalten.

Aber ich glaube und wünsche mir, dass alle drei zu der Gruppe mutiger, kluger Ministranten (und -innen) gehört hätten, die während einer Messe am 3.10.2022 im Rahmen ihrer Wallfahrt nach Rom von ihren Plätzen aufgestanden sind und Erzbischof Kardinal Woelki, der die Messe hielt, den Rücken zugedreht haben.

Ich danke euch.

Elfchen im Zehnten: DEINE APOTHEKE IMPFT

Damit

niemand mit

dir schimpft: DEINE

APOTHEKE IMPFT. Komm nur

herein…

P1080585

Schaukasten vor der alteingesessenen Adler-Apotheke in Köln-Nippes.

Um mit den Internet-Apotheken konkurrieren zu können, setzen die Apotheken vor Ort zunehmend auf den direkten, persönlichen Kontakt zu den Menschen. Hierbei bekommen sie Rückendeckung von der Bundesregierung. Bereits im Sommer 2019 wurde das “Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken” auf den Weg gebracht. In der Pressemitteilung des BMG wird der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zitiert: „Die Apotheke vor Ort ist für viele Menschen ein Stück Heimat – und eine wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten. Darum erhalten Apothekerinnen und Apotheker künftig mehr Geld für neue Dienstleistungen. Wir sorgen für einen fairen Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken. Künftig gilt der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel bei der Abgabe an gesetzlich Versicherte. So sichern wir die Arzneimittelversorgung in der Stadt und auf dem Land.“ https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2019/3-quartal/staerkung-der-vor-ort-apotheken.html

Um die neuen Privilegien und die guten Beziehungen nicht zu gefährden, haben sich die Apotheken von Beginn an hinter die staatlichen Corona-Maßnahmen gestellt. Im Frühjahr 2020 startete die apothekeneigene Unternehmensgruppe NOVENTI die „Initiative gegen Corona“, die das Ziel verfolgt, “zur Aufklärung der breiten Bevölkerung mit aufmerksamkeitsstarken Motiven beizutragen.” Plakate wurden entworfen und an alle Apotheken verschickt. Eine erste Plakat-Botschaft von NOVENTI und Medienpartner BILD: “Bring Corona nicht zur Oma”. Diese Aufforderung, die mit “Aufklärung” allerdings herzlich wenig zu tun hat, richtete sich an Angehörige, die einen großen Bogen um ältere Familienmitglieder machen sollten.

Mit Corona, so schrieb ich vor zwei Jahren an dieser Stelle, hat die die Gesundheitswerbung, was alte Menschen betrifft, eine vermeintliche Kehrtwende gemacht. “Nachdem in den letzten Jahren wissenschaftliche Studien herausfanden, was der gesunde Menschenverstand ohnehin wusste, dass nämlich Berührungen der Gesundheit zuträglich sind, wurde im Jahr 2019 von der Krankenkasse DAK körperliche Nähe zu alten Menschen propagiert. Im Befehlston hieß es da: „Geht Omas drücken!“ Ab März war (und ist!), gerade was ältere Menschen betrifft, überall Distanz angesagt. Schnoddrig-lässig heißt es unrein gereimt von oben herab: „Bring Corona nicht zur Oma.“… Von älteren oder alten Frauen generell als von „Omas“ zu reden, ist respektlos. Die Anrede „Oma“ diffamiert, wenn es nicht die eigene ist. Wenn wir Skat oder Doppelkopf spielen und so gute Karten bekommen, dass wir gar nicht anders können als zu gewinnen, haben wir ein „Oma-Blatt“ auf der Hand. „Oma“ ist lieb, aber ein bisschen beschränkt, dümmer als „Opa“, falls es den noch gibt.” https://stellwerk60.com/2020/10/19/elfchen-im-zehnten-was-ist-mit-unserer-gesellschaft-geschehen-wenn/

Im Frühjahr 2020 war noch keine Impfung auf dem Markt, auch nicht für die bedrohte Oma, aber es wurde bereits fieberhaft daran gearbeitet. Auch am guten Verhältnis der Apotheke zu Oma, denn Oma ist Stammkundin, misstraut den neuen Medien und würde ihre Rezepte niemals im Internet einreichen.

Eine ausgesprochen gute Kundin ist Oma schon deshalb, weil sie in der Regel an verschiedenen chronischen Krankheiten bzw. Beschwerden leidet und die entsprechenden ihr verschriebenen, aber auch frei verkäufliche Medikamente einnimmt. “Bei rund 42 % der über 65-jährigen gesetzlich Versicherten liegt nach dem Versorgungs-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) Polypharmazie (fünf oder mehr Wirkstoffe) vor.” Polypharmazie, d.h. die gleichzeitige und andauernde Einnahme verschiedener Medikamente, verbessert Omas Befinden allerdings nicht unbedingt, im Gegenteil: https://www.aerzteblatt.de/archiv/182151/Polypharmazie-Tendenz-steigend-Folgen-schwer-kalkulierbar

Herbst 2022: Der Schaukasten der Nippeser Adler-Apotheke ist neu bestückt. Die Metallplatte unter dem Kasten ist frisch poliert, das Graffiti entfernt. Man gibt sich seriös, denn “DEINE APOTHEKE IMPFT”. Ein weiteres, transportables Schild im Eingang der Apotheke verrät, dass “wir” nicht nur gegen Corona, sondern auch gegen Grippe impfen. Das ist möglich, weil der deutsche Bundestag im Mai 2022 das Pflegebonusgesetz verabschiedet hat. Im Zusammenhang mit dem Gesetz hat man auch den Weg frei gemacht “für die Grippeimpfung in der Apotheke – sie wird nun Teil der Regelversorgung und damit unabhängig von Modellprojekten bundesweit möglich.” https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/05/19/bundestag-gibt-gruenes-licht-fuer-regelhafte-grippeimpfungen-in-den-apotheken

 

Oma darf längst wieder auf die Straße gehen, auch in die Apotheke, wo sie ihre Medikamente bekommt. In der Apotheke fragt man Oma nach ihrem Impfstatus. Oma ist es unangenehm, sagen zu müssen, dass sie sich noch nie gegen Grippe hat impfen lassen. Um die Apothekerin für sich einzunehmen, sagt sie: “Bitte nicht schimpfen.” Doch die freundliche Apothekerin schimpft nicht, sondern lächelt. Aber sie macht Oma darauf aufmerksam, dass die Ständige Impfkommission den über 60jährigen beide Impfungen empfiehlt, die gegen Grippe und die gegen Corona. Selbstverständlich seien beide Impfungen auch in der Apotheke kostenlos. Aber Oma solle sich Zeit lassen, es gäbe ja noch Termine im November und im Dezember. Dann will die Apothekerin noch wissen, ob Oma als gesetzlich versicherte Person über 60 Jahre Post vom Gesundheitsminister erhalten habe. Der Brief von Karl Lauterbach enthalte leider einen Fehler, denn es werde nicht erwähnt, dass man sich auch in der Apotheke impfen lassen könne.

“Der Brief enthält nicht nur Fehler, sondern ist ein Fehler”, sagt Oma und lacht. “Diesen Jammerlappen kann ich leider nicht mehr ernst nehmen. Das Schreiben ist eine als persönlicher Brief getarnte Werbepost. Da sind mir die Wurfsendungen von Kaufland oder REWE lieber, da wird der Preis, den ich zahlen muss, offen genannt.”

“Aber die Impfung ist kostenlos.”

“Ja eben,” sagt Oma. “Man muss immer skeptisch sein, wenn ein Geschäftsmann einem was schenkt. Vor allem als alter Mensch.”

“Aber unser Bundesgesundheitsminister ist doch kein Geschäftsmann”, sagt die Apothekerin.

“So wenig, wie Sie eine Geschäftsfrau sind”, entgegnet Oma. “Außerdem enthält der Brief Halb-Wahrheiten. Für den neuen BA.5- Impfstoff gibt keine klinischen Studien, seine Wirkung wurde nur in Tierversuchen belegt, und in Europa ist der Impfstoff nur deshalb zugelassen, weil angeblich immer noch ein Notfall vorliegt. Und dabei liegt der Schutz vor einer Ansteckung vermutlich bei nicht einmal zehn Prozent.”

“Ich würde Ihnen die Impfung übrigens dringend empfehlen”, sagt die Apothekerin. “Dringend.”

“Sie wissen doch, wie viele Medikamente ich einnehme”, sagt Oma. “Da muss ich nicht noch geimpft werden. Ich habe gerade noch einen Artikel über Medikamentenmissbrauch bei alten Menschen gelesen.”

“Sie sind aber eine ganz Schlaue”, piepst die Apothekerin. “Und woher meinen Sie die Informationen über die Impfung zu haben?”

“Aus einem Interview mit Alexander Kekulé”, antwortet Oma. “Auf t-online.de. Ein kluger Mann. Da kommt der Lauterbach nicht mit. Der Lauterbach denkt viel zu gradlinig, um unsere aus den Fugen geratene Welt noch zu begreifen. Und er macht ständig doofe Fehler. Der hat tatsächlich vergessen, den Brief persönlich zu unterschreiben. Dadurch wirkt das Schreiben stocksteif, was im Fall von Lauterbach natürlich auch wieder authentisch ist. Ich meine, eine Kopie der Unterschrift hätte ja auch gereicht. Der einzige Farbtupfer ist der schwarz-rot-gelbe Streifen im Briefkopf. Aber was überhaupt nicht geht, ist, dass das Datum fehlt. Wahrscheinlich will Lauterbach den Brief im nächsten Jahr wiederverwenden. Aber ich muss jetzt.”

“Auf Wiedersehen”, sagt die Apothekerin.

“Auf Wiedersehen”, sagt Oma. “Und Frohes Neues Jahr.” Tänzelnden Schrittes verlässt sie die Apotheke.