Vor vielen Jahren habe ich einmal auf dem Nippeser Markt ein Gespräch zwischen zwei alten Männern mitbekommen, wobei “Gespräch” für das, was ich zu hören bekam, ziemlich übertrieben ist.
Der kurze Dialog ist Thema meines Elfchens des Monats, das diesmal kein Mini-Gedicht ist, sondern ein kleines Drama:
Zwei
Alte begegnen
sich: “Wie es
et?“… “Ach ja, man
muss.”
Das Gespräch endete hier, die Männer verabschiedeten sich voneinander. Doch der kleine Dialog ist mir seitdem im Ohr. Zwar sind, wenn sich zwei Männer zufällig über den Weg laufen, die Gespräche oft kurz und schroff (“Wie geht’s?” “Kann nicht klagen. Und du?” “Dito.”), doch in der Antwort “Man muss” schwingt noch etwas anderes mit, eine gewisse Verbitterung.
Nach Ende der Corona-“Pandemie” sind freudlose kleine Gespräche allgegenwärtig. Viele Menschen fühlen eine tiefe Ohnmacht. Die was zu sagen hätten, haben nichts zu sagen. Während Internet und Fernsehen die Menschen volllabern, mit Werbung beballern und lautstark dauerbespaßen, sind wir zum Schweigen verdammt.
Mit der Zurücknahme der entwürdigenden staatlichen Corona-Maßnahmen wurde das Ausmaß der psychischen Verletzungen und Langzeitfolgen sichtbar. Nichts ist wie vorher. Die Maßnahmen waren nicht nur ein Angriff auf unsere Würde, sondern auch auf unsere Selbstachtung und Lebensfreude. Ich selber bin manchmal in einer nie gekannten depressiven Schockstarre – und trauere um die Demokratie.
Während der Pandemie verpflichtete man uns -unter Androhung demütigender Bestrafungsaktionen und Strafen- zu einem bedingungslosen Mitmachen: Ihr müsst gehorchen. Dementsprechend ist das Wort “Müssen” eine zentrale Vokabel im internen Papier aus dem Bundesinnenministerium zur Eindämmung der Corona-Krise vom 22. März 2020. Wir erinnern uns: Am 1. April 2020 hatte das gemeinnützige Portal „Frag den Staat“ das vollständige, 17 Seiten lange Papier veröffentlicht. “Indem man uns mit einem “worst case” konfrontierte, den Fachleute aus den Bereichen Medizin, Wirtschaft und Politik prognostiziert hatten, sollte uns ganz bewusst via “Schockwirkung” Todes-Angst eingejagt werden.” https://stellwerk60.com/2023/09/28/die-digitalisierungsfalle-wie-der-koelner-amtsschimmel-munter-wiehernd-hineintrabt/
Im Papier des Innenministeriums heißt es zur Durchführung der Maßnahmen:
“Politik und Bürger müssen dabei als Einheit agieren.
3) Nachvollziehbarkeit: Die Bürger müssen nachvollziehen können, dass folgende Maßnahmen nur mit ihrer Mithilfe zu ihrem Wohl umgesetzt werden (müssen und) können.” (Fettung und Klammer von mir)
Um dem Geschriebenen Nachdruck zu verleihen und uns die Notwendigkeit der Maßnahmen einzubläuen, wählte man einen autoritären Befehlston und verwendete wiederholt das Wort “müssen”. “Müssen” ist nicht per se ein Macht-Wort. Manchmal bezeichnet das Wort eine naturgegebene Notwendigkeit, z.B.: “Wir müssen essen, um nicht zu verhungern”… “Wir müssen trinken, um nicht zu verdursten”… “Ich muss mal.”
Hier jedoch geht es um die Demonstration von Macht. Durch die krampfhafte Wiederholung des Wortes “müssen” kommt es aber dazu, dass der kleine Text aus allen Nähten bzw. Satzzeichen platzt. Der Satz, der mit “Die Bürger” beginnt, enthält zwei Wörter zu viel, die vermutlich später eingefügt wurden: “… müssen und”. Ich empfehle, den Satz noch einmal genau zu lesen – einmal mit und einmal ohne Klammer.
Alle Menschen in Deutschland waren von den Maßnahmen betroffen, doch besonders hart war es für die Menschen über 60, die unterschiedslos als vulnerabel und bedürftig abgestempelt wurden. Aufmerksame Zeitgenossen mit einem Gespür für die Verletzung elementarer Menschenrechte bemerkten die autoritäre Gleichschaltung schon zu Beginn der “Pandemie”:
“Im April 2020 gab das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Stellungnahme mit dem Titel „Menschenrechte Älterer auch in der Corona-Pandemie wirksam schützen“ ab. Das Institut bewertet die These als richtig, dass der Staat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit älterer Menschen auf seinem Staatsgebiet effektiv zu schützen versuchen müsse. Es verurteilt aber die „Fehleinschätzung“, „dass alle älteren Menschen schutzbedürftig sind, weil verkannt wird, dass Ältere keine homogene Gruppe bilden, sondern das Risiko vom individuellen Gesundheitszustand und von der Lebenssituation abhängt…“ https://de.wikipedia.org/wiki/Altersdiskriminierung
Leider wurden kritische und aufmerksame Stellungnahmen wie diese (eines anerkannten Instituts für Menschenrechte!) von den Verantwortlichen ignoriert und missachtet. Das hatte eine mit nichts zu rechtfertigende Respektlosigkeit der Politik gegenüber älteren Menschen zur Folge und führte dazu, dass insbesondere die sehr alten Menschen in den Pflegeheimen der Willkür der “schützenden” Maßnahmen (Kontaktbeschränkung, Sicherheitsabstand, Maskenpflicht etc.) schutzlos ausgeliefert waren. Weiter zuspitzen sollte sich die Situation mit der Corona-Impfung, als Seniorinnen und Senioren -unabhängig von ihrem individuellen Gesundheitszustand- trotz doppelter Impfung wochen- und manchmal auch monatelang Abstand voneinander halten und in Quarantäne mussten.

Zum Thema Altersdiskriminierung unter dem Deckmantel staatlicher “Wohlfahrt” vgl.: https://stellwerk60.com/2022/10/31/elfchen-im-zehnten-deine-apotheke-impft/
Die Vokabel “Müssen” ist auch Erkennungsmerkmal einer neuen bundesdeutschen Kriegsrhetorik. Erst kürzlich hat uns Bundesverteidigungsminister Boris Becker* (pardon: Boris Pistorius) vorgeführt, wie leicht ihm das Macht-Wort über die Lippen geht. In einem Plädoyer für Kampfbereitschaft sagte Pistorius am 29.10. im ZDF: “Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.” https://www.zdf.de/nachrichten/politik/boris-pistorius-krieg-europa-kommentar-100.html
(*Bundesverteidigungsminister Boris Becker? Was wie ein sprachlicher Ausrutscher aussieht, ist keiner. Übersetzt heißt “Pistorius” tatsächlich “Bäcker”, denn der Name leitet sich von lateinisch “pistor” = „Bäcker“ ab. Unser Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat also keinen römischen Migrationshintergrund, sondern clevere Vorfahren, die ihren Familiennamen durch eine Latinisierung veredelt haben. Aufhübschungen wie diese waren bis zum Jahr 1876, als man überall im damaligen Reichsgebiet Standesämter einrichtete und Personenstandsregister einführte, möglich und üblich.)
Angeblich hat es Boris Pistorius nicht so gerne, wenn man ihn scherzhaft “Boris Becker” nennt oder gar “Bobbele”. Das hat weniger mit Boris Beckers Haftstrafe zu tun als mit der Tatsache, dass der junge Wimbledon-Sieger als Steuerflüchtling und Staatsbürger von Monaco vom Wehrdienst befreit war. Ein Artikel aus dem Jahr 1985: https://www.spiegel.de/sport/begeisterung-macht-nicht-blind-a-011577d7-0002-0001-0000-000013516241
Bedenklich und unannehmbar ist, dass Pistorius von wir redet und auf diese Weise uns alle in seine Kriegsvorbereitungen einbezieht und zu Mittätern macht. Ich sage NEIN! Ich will weder kriegstüchtig werden noch wehrhaft sein noch mich “wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte.” Mit dieser verschleiernden und verharmlosenden Aussage macht Pistorius uns allen was vor, denn “die Gefahr eines Krieges in Europa” droht nicht nur. Dieser Krieg ist längst Wirklichkeit geworden.
Für den Satiriker (“Pardon“) und Ex-Kriegsreporter Gerhard Kromschröder geht die Militarisierung der Gesellschaft mit einer Militarisierung des Denkens und Sprechens einher. Im FR-Interview mit Claus-Jürgen Göpfert sagte er im April: “In Deutschland herrscht gegenwärtig eine unsägliche Kriegsrhetorik. Wir scheinen diese Kriegsrhetorik geradezu lustvoll anzunehmen und uns in ihr zu suhlen. Oft führt das zu Realsatire. Ich denke an eine Partei, die einmal als Friedenspartei gegründet wurde und damit Erfolg hatte. Sie gefällt sich heute darin, immer neue Waffenlieferungen zu fordern und wechselnde Kriegsszenarien auszumalen. Das hat viel Komik an sich.” https://www.fr.de/panorama/gerhard-kromschroeder-in-deutschland-herrscht-unsaegliche-kriegsrhetorik-92221691.html
Dass die GRÜNEN ihr zentrales Wahlversprechen (“Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“, Wahlplakat) gebrochen haben und das Gegenteil von dem veranstalten, weswegen ich sie noch 2021(!) -wenn auch zähneknirschend- gewählt habe, ist allerdings mehr als nur tragikomisch. “Das hat viel Komik an sich”, konstatiert Gerhard Kromschröder. Ja, das hat es, doch ich kann nicht mehr lachen.
Ich bin Kromschröder dankbar für den Hinweis auf eine Lachnummer von Cem Özdemir, Mitglied der “Friedenspartei” DIE GRÜNEN und Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Ich wusste nicht, dass die Bundeswehr seit 20 Jahren den Bundesministerinnen und Ministern anbietet, an einer mehrtägigen Wehrübung in den Streitkräften teilzunehmen. So hatte ich auch nicht mitbekommen, dass das Angebot im Frühjahr 2023 angenommen wurde, und zwar von eben jenem Cem Özdemir, der mit wackerem Büttenreden-Humor im Jahr 1997 gesagt hat: “Ich bin zwar gut zu Fuß, aber ich bin nie eingewandert, sondern hier geboren.” Zitiert nach Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Cem_%C3%96zdemir
Vermutlich hat der Mann was nachzuholen. “Ich habe nie Wehr- oder Zivildienst geleistet“, sagte er im Jahr 2001 in einem Interview mit dem SPIEGEL “Die deutsche Staatsbürgerschaft habe ich 1981 unter anderem deshalb angenommen, um nicht in der Türkei Wehrdienst leisten zu müssen. Auch in Deutschland bin ich nie gemustert worden.” https://www.spiegel.de/politik/deutschland/40-jahre-zivildienst-haben-sie-eigentlich-gedient-herr-oezdemir-a-126230.html
In der Bundespolitik Es kommt nicht gut an, wenn ein Spitzenpolitiker nicht gedient hat. Doch Özdemir gibt sich Mühe. Man muss ergänzen, dass er bereits im Jahr 2019 ein mehrtägiges Praktikum bei der Bundeswehr absolviert hat, und zwar am Bundeswehrstandort Munster in Niedersachsen. Begleitet wurde Özdemir von GRÜNEN-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner. Lindner hat sogar seine Kriegsdienstverweigerung zurückgenommen, um an der Wehrübung teilnehmen zu können. Medienwirksam hat er uns (und allen ehemaligen Kriegsdienstverweigerern) vorgemacht, wie leicht das geht. https://taz.de/Gruene-und-Bundeswehr/!5601987/
Im Jahr 2023 ist Özdemir wieder dabei, diesmal bei den Feldjägern in Hannover. Schauen wir uns das “Deckblatt” des Videos an, das der Nachrichtensender der WELT dankenswerterweise ins Netz gestellt hat (s.o.). Der da stolz die Nüstern bläht und dem der Flecktarn prima steht, ist tatsächlich Cem Özdemir. Dieser Spot macht nicht nur Werbung für den Krieg.
Neben Soldaten werden in der Kaserne auch Personenschützer ausgebildet. Bei der viel Sprit vergeudenden Auto-Gaudi “Fahrsicherheitstraining” kommen ausschließlich Mercedes-Limousinen zum Einsatz. “Als Beifahrer nimmt Cem Özdemir am rasanten Fahrsicherheitstraining teil, Wasserfontänen, Vollbremsungen und waghalsige Wendemanöver inklusive.” Özdemir zeigt sich beeindruckt: “Das könnte ich nicht, auch nicht nach viel Übung.” (Video, Min. 1.04 – 1.08)
Die Internet-Seite von Auto Motor und Sport klärt mich darüber auf, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Amtsantritt für einen Dienstwagen von Mercedes entschieden hat: das gepanzerte S-Klasse-Modell S 680 Guard.
Dass Özdemir, geblendet von Privilegien und Macht, für Krieg und Mercedes wirbt, aber Süßigkeiten-Werbung verteufelt, ist Ausdruck einer neuen grünen Doppelmoral. Hier hat sich ein Ökospießertum entwickelt, das für mich diese Partei unwählbar macht. Kaum waren sie Regierungspartei, sind die Bundes-GRÜNEN zu autoritären Charakteren mutiert. Erinnern wir uns an den bedrohlichen Gesetzentwurf von AMPEL-Abgeordneten für eine Impfpflicht ab 60. Die neuen GRÜNEN haben sich meines Erachtens schuldig gemacht, insbesondere gegenüber den älteren und alten Menschen.
