Was tun, wenn die Freibäder endlich geöffnet, aber Köpper und Döppen verboten sind?

In den letzten Wochen hat es in Deutschland kaum geregnet. Zu Pfingsten ist es nicht nur trocken, sondern so heiß, dass sogar ich Lust kriege, Schwimmen zu gehen. Also informiere ich mich per Internet. In Köln, so lese ich, sind fast alle städtischen Freibäder wieder geöffnet, allerdings unter strengen Hygiene- und Sicherheitsauflagen. Die Zeiten, als man zur Kasse ging und mit Münzgeld eine Eintrittskarte kaufen konnte, ohne sich auszuweisen, sind vorbei. Ins (Un-)Freibad kommt nur, wer im Vorfeld ein E-Ticket kauft. Nur wenn die persönlichen Daten preisgegeben werden, kann – wie es heißt – im Falle eines Corona-Ausbruchs der Infektionsweg zurückverfolgt werden.

Die „Verweildauer“ im Schwimmbad ist zwar offiziell unbegrenzt, aber der Schwimmbadbetrieb wird mitten am Tag unterbrochen. Dann werden die Bäder geschlossen, denn sie müssen desinfiziert werden. Wenn zum Beispiel das Zündorfbad zwischen 14 und 15 Uhr gründlich gereinigt wird, müssen die Badegäste gehen – und dürften kaum noch Lust haben wiederzukommen. Andere Bäder, etwa das Kombibad Paffrath in der Nähe von Köln, schließen zwecks Tiefenreinigung sogar dreimal am Tag. Es würde mich nicht wundern, wenn auch die Liegewiesen desinfiziert würden.

Zwar haben die einzelnen Bäder unterschiedliche Sicherheitskonzepte entwickelt, doch überall hält man sich an gewisse Grundvorgaben. Die Besucherzahl ist begrenzt, während man das Personal aufstockt. Es müssen, so hörte ich, nicht nur weitere Bademeister eingestellt werden, sondern auch Reinigungs- und Sicherheitskräfte.  Geschwommen wird in festgefügten Bahnen – und mit Mindestabstand. Auch hat man das Einbahn-Schwimmen erfunden: Damit die Leute nicht frontal zusammenstoßen, gibt man vielerorts die Schwimm-Richtung vor. Zur Freude mancher Senioren, die man überraschenderweise nicht aus den Bädern verbannt, ist das Überholen verboten.

Vor allem Kindern wird viel abverlangt, denn sie lieben Wasser. Ich weiß noch, dass es für mich nichts Schöneres gab, als an einem heißen Sommertag in ein Schwimmbecken zu springen. Auch das ist im Jahr 2020 verboten. Sprünge vom Beckenrand, so habe ich gehört, sind höchst riskant, weil sich am Beckenrand die Viren tummeln. Auch das Döppen ist verboten, denn beim Döppen hat man Körperkontakt. Ich selber habe nie gedöppt, denn gedöppte Kinder döppen zurück. Döppen ist doof, aber diese kleinen Kämpfchen im Wasser gehören für Kinder dazu.

Was kann man tun? An den See fahren. Von Nippes aus ist der Fühlinger See gut erreichbar. Überregional bekannt ist der See vor allem durch das Summerjam-Festival, das Anfang Juli stattfinden sollte, aber wegen Corona abgesagt wurde. Abseits der Regattastrecke findet man schöne Badeplätze. Mein Tipp: Sich in Nippes aufs Fahrrad setzen und über die Neusser Straße, die irgendwann in die Neusser Landstraße übergeht, stadtauswärts fahren. Nach knapp zehn Kilometern kommt man am Fühlinger See an. Noch ein paar hundert Meter weiter fahren, das Freibad (Eichenprozessionsspinner!) rechts liegen lassen, See 3 ansteuern und sich ein Fleckchen suchen, wo man mehr Platz hat als 1,50 Meter Sicherheitsabstand.

Zur Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners am Fühlinger See gibt die Stadt Köln Auskunft: https://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/freizeit-natur-sport/sportstadt/sport-und-erholungsanlage-fuehlinger-see?kontrast=schwarz)

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Als die Hitze noch erträglich war und der Spielplatz gerade wieder geöffnet: Köpper in den Sand

Gestern, als ich zum Einkaufen auf der Neusser Straße war, standen die Leute vor dem Optiker Schlange. Die meisten trugen zusätzlich zum Mundschutz noch eine Sonnenbrille und sahen ziemlich vermummt aus. Ist das nicht offiziell verboten? Ich schaue im Internet nach. Tatsächlich ist es in Deutschland nur bei öffentlichen Versammlungen wie Demonstrationen oder großen Sportveranstaltungen wie Bundesligaspielen laut § 17a des Versammlungsgesetzes (VersG)  verboten, sich zu vermummen. Anders ist das in Österreich. Hier gilt seit Oktober 2017 ein generelles „Verbot der Gesichtsverhüllung“. Doch kann man den Mundschutz anordnen und gleichzeitig die Gesichtsverhüllung verbieten? Eigentlich nicht. Um das Dilemma zu lösen, hat man in Österreich das „Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz“ (es heißt wirklich so!) nachgebessert. Neuerdings ist aus „medizinischen Gründen“ die Gesichtsverhüllung erlaubt. https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/aufenthalt/Seite.120251.html

Doch wie ist es in Deutschland? Eigentlich müsste es Menschen, die einen Mundschutz tragen  -vor allem in Kombination mit einer Sonnenbrille- verboten sein zu demonstrieren. Andererseits kann der Staat den Menschen nicht verbieten, sich zu versammeln, vor allem dann nicht, wenn sie sich mit der Vermummung ordnungsgemäß verhalten. Was also tun? Anfang April wurden im Namen der „Kontaktbeschränkungen zwecks Infektionsschutz“ die Grundrechte kurzerhand (wenn auch „vorübergehend“) umformuliert. https://polit-x.de/documents/3383575/bund/bundestag/wissenschaftlicher-dienst/ausarbeitung-2020-04-15-wd-3-07920-kontaktbeschrankungen-zwecks-infektionsschutz-grundrechte Für Demonstrationen heißt das: „In einem solchen Fall gilt in Bezug auf den Mundschutz kein Vermummungsverbot, da dieser behördlich angeordnet wurde.“ https://www.bussgeldkatalog.org/news/corona-mundschutz-erlaubt-generelles-vermummungsverbot-besteht-nicht-2283709/

Gewiss hat dieses Mädchen (dass es ein Mädchen sein dürfte, sehe ich an den rosafarbenen Schuhen) noch nie was von einem Vermummungsverbot gehört. Als würde es die Maskenpflicht karikieren, hat das Kind den Mund- Nasenschutz übertrieben. Es hat Löcher in einen Karton geschnitten und ihn sich über den Kopf gestülpt.

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Wenn man Anfang April ein Kind traf, waren fast immer die Eltern dabei. Einmal hat ein Kind die Mutter gefragt: „Darf ich den kuscheligen Hund da streicheln?“ Die Antwort der Mutter: „Nein, erst in drei Wochen wieder.“ … Jetzt, Ende Mai, ist das Leben immer noch stark reglementiert, doch die Kinder lassen sich nicht verblöden. Nach der Schule wird der Ranzen in die Ecke gepfeffert – so wie „früher“. Draußen hat kaum ein Kind seine Maske dabei. Die Kinder, die in der autofreien Siedlung wohnen, gehen endlich wieder alleine vor die Tür. Hund Freki wird auch wieder gestreichelt. Jetzt aber versteht er die Welt nicht mehr: Ein Mädchen findet ihn uninteressant!

Ihr kriegt mich nicht!

Eine Begegnung mit der Frau Keuner: „Die Politik finanziert Werbepsychologen, um uns Bürger bei Laune zu halten“

„Tach“, sacht meine Nachbarin, die Freu Keuner.

Gerade versuche ich, möglicht geräuscharm ein paar leere Weinflaschen zu entsorgen, da taucht auf der gegenüberliegenden Seite des Glascontainers das verdötschte Gesicht von der Frau Keuner auf. Nicht gut, wenn man verkatert ist. Schon gar nicht, wenn man auf dem Wochenmarkt ist und vorhat, am Tag vor Himmelfahrt schnell noch Spargel einzukaufen – unbeobachtet.

„Tschuldigung“, sage ich. „Ich bin total verkatert, aber nicht vom Alkohol. Gestern bin ich seit Monaten mal wieder Auto gefahren, weil ich in Hannover was abholen musste. Autobahn ist ja nur dann erträglich, wenn man Radio hören kann. Vor allem abends und in der Nacht. Ich mach also das Radio an, drück auf meinen Lieblingssender WDR5, aber das hört sich irgendwie falsch an. Da gab’s nicht die Wiederholungen vom Vortag. Ganz anderer Sound. Ich drück auf Deutschlandfunk, das gleiche Programm. Die anderen Knöpfe, überall. Ich dachte, das Radio ist kaputt, aber das war es nicht.  Für eine Stunde geht so was noch, aber da wurden über Stunden immer dieselben Nachrichten gesendet. Es ging nur um Corona. Keine Werbung, keine Musik, nur Corona. Furchtbar. Du hörst Radio und wirst in eine Art Wiederholungsschleife reingezogen, in der wir sowieso alle sind. Und das auf der Autobahn. Wie ein Sprung in der Schallpatte, die du eh schon gar nicht mehr anhören willst.“

Die Keuner grinst: „So schnell geht dat. Der Spaß nennt sich ARD-Infonacht. Die Sender sind jetzt abends gleichgeschaltet. Aber lenk bitte nicht ab, Lisa. Du gehörst also auch zu den Leuten, die bei Corona noch mehr saufen als sonst. Mit Wein und Schnaps werden jetzt gute Geschäfte gemacht. Aber ich sach dir, erst recht mit Zigaretten. Da erzählt irgendein Experte den Leuten, wie gefährlich das Rauchen für den Verlauf einer Corona-Infektion ist, schon sind die Leute so frustriert, dass sie noch mehr rauchen. Wäre der Jens Spahn ein Menschenfreund, würde er jetzt endlich dafür sorgen, dass man den Tabak in kleinen Mengen verkauft. Und dass man den Ekelaufdruck abschafft, der den Leuten eh schon Angst macht. Ich sach dir, die Corona-Panik hat den Tabakverkauf so wat von angekurbelt.“

Seltsame Situation. Wir stehen immer noch am Rand vom Markt, der Container ist zwischen uns und sichert einen gewissen Sicherheitsabstand, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Die Frau Keuner redet weiter: „Ein Weinladen ist nämlich systemrelevant. Hömma, als ich vor ein paar Wochen im Kleefisch war, da hieß es noch, dass der französische Wein nicht geliefert werden kann, weil die LKW-Fahrer nicht mehr da sind. Die osteuropäischen Arbeitskräfte sind ja die einzigen, die den Knochenjob noch machen, aber die wollen in der Krise natürlich auch nach Hause. Ich denke mal, die haben die Leute dann ganz schnell zurückgepfiffen. Und woher hast du deinen Wein?“

„Was soll ich denn machen?“, jammere ich.

„Und ich wette, du willst gerade Spargel einkaufen. Was glaubst du, wer den gestochen hat? Hömma, du bist sowat von blauäugig. Und weißt du, was ich unerträglich und undemokratisch finde?“

„Nein?“

„Ich sag es dir“, sagt die Frau Keuner. „Die Politik finanziert Werbepsychologen, um uns Bürger bei Laune zu halten.“

„Wie bitte!?“

Die Keuner nickt. „Du kennst doch die Litfaßsäule an der Kempener Straße, die eine, die sich dreht, vor Fußgängern, Radfahrern, vor Autofahrern. Da klebt seit ein paar Wochen hinter Glas eine ausgeklügelte, wind- und wettergeschützte Werbung von der Bild-Zeitung für die Bild-Zeitung, aber gleichzeitig ist das Werbung für den Corona-Kurs der Bundesregierung. Da wird die gleiche Sprache gesprochen wie in den Ansprachen vonner Angela Merkel. Moderne Politiker lassen sich von Werbepsychologen beraten. Und wer bezahlt den Quatsch? Wir.“

„Das ist eine Verschwörungstheorie“, sage ich und muss mich räuspern.

Man kennt sich, man hilft sich“, sagt die Frau Keuner. „Das hat der Konrad Adenauer ja so schön mehrdeutig gesagt. Der war wenigstens ehrlich. Du zitierst den Spruch doch  selber so gerne. Trinkpause!“

Die Frau Keuner greift sich die Flasche Mineralwasser aus dem Körbchen und trinkt einen Schluck. Sie setzt die Flasche ab: „Dass ich dir nichts anbiete, liegt nicht an Corona. Aber ich will nicht, dass du an meiner Pulle löllerst. Aber du erinnerst dich vielleicht. Da war doch direkt neben Krankenschwester Manuela das Plakat von Doc Morris, und an der Stelle, wo die Werbung für das E-Rezept war, klebt jetzt der LKW-Fahrer Reinhold. Der Reinhold ist ein treudeutscher LKW-Fahrer. Der guckt nicht zu uns wie die Manuela, sondern in die Ferne. Der Reinhold ist nicht frisch rasiert, wirkt aber frisch gewaschen. Der hat hellwache Augen, Verantwortungsgefühl, der knackt nicht weg. Trinkpause!“

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“ Reinhold, LKW-Fahrer“

Die Frau Keuner nimmt einen Schluck und redet dann weiter: „Der Plakat-Reinhold ist ein ganz lieber, gutmütiger Typ, ein bisschen wie Lukas der Lokomotivfahrer. Und wie Lukas der Lokomotivführer hat auch Reinhold der LKW-Fahrer ein Halstuch um. Die Werbepsychologen haben da die Abbildungen aus Büchern und Filmen studiert, die wir alle im Hinterkopp haben. Wir alle lieben das wunderschöne Kinderbuch von Michael Ende: „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Das einzige, was dem Reinhold fehlt, ist die Pfeife im Mund. Ein Lokomotivführer einer altmodischen Dampflok kann sich eine Pfeife leisten, aber ein moderner LKW-Fahrer nicht. Trinkpause!“

Die Frau Keuner nimmt noch einen Schluck und redet dann weiter: „Dafür hat der Reinhold einen kleinen Ring im Ohr. Ohne dass es uns bewusst ist, erinnert uns der Reinhold an unseren ersten Teddy. Und der Teddybär unter den Teddybären, der klassische Teddybär ist der Steiff-Teddybär, der hatte keinen Ring, aber einen Knopf im Ohr. Die Steiff-Tiere haben den Knopf im linken Ohr. Der Reinhold hat den Knopf im rechten Ohr. Angeblich tragen homosexuelle Männer den Ohrring immer im rechten Ohr. Dat is ein kleiner Gruß an Jens Spahn, sach ich dir… Und hömma, an wen denkst du, wenn du den Namen Reinhold hörst?“

„An meinen Vetter“, sage ich. „Den haben sie damals nicht gemustert, weil das Kreiswehrersatzamt dachte, dass Reinhold ein Mädchenname ist. So wie Reinhild.“

„Ach wat“, sagt die Frau Keuner und schüttelt den Kopf. „Du sollst an den Reinhold Messner denken, den Südtiroler Bergsteiger. Für alle, die jeden Weg auf sich nehmen, so einer ist der Messner doch auch. Und der Messner tut doch auch so, als wenn es toll wär, sich mutterseelenallein auf den Weg zu machen. Der einsame Held, hömma, das ist vielleicht angenehm, wenn man die frische Bergluft einatmen kann, aber dat is sowat von scheiße, da in der miefigen Fahrerkabine eingeklemmt zu sein. Und der Messner hat bestimmt niemals auf dem Parkplatz von der Autobahnraststätte übernachtet. Und überhaupt…“

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Reinhold Messner im aktuellen ARTE-Magazin: „Für mich ist das Virus – obwohl winzig klein – wieder ein Zeichen, dass wir der Natur unterlegen sind.“ Diese Erkenntnis ist ein Denkfehler. Sie zementiert die Trennung zwischen Mensch und Natur. Wir sind der Natur weder unter-  noch überlegen. Wir sind ein Teil der Natur. Nur wenn wir das begreifen, ist Corona, ein Virus, das es gut meint mit den Kindern, kein Dämon mehr. Horst Stern, Wissenschaftsjournalist, Mitgründer der Umweltschutzorganisation BUND und Herausgeber der Zeitschrift Natur, schrieb in seinem ersten Editorial 1980:                                                                                                                      „Wir sind als Art biologisch unentrinnbar ein Teil der Natur – lebend an ihr Leben, leidend an ihr Leiden, sterbend an ihr Sterben gebunden.“

„Ich will dich nicht unterbrechen“, sage ich. „Aber ich muss jetzt wirklich los, ich wollte noch auf den Markt.“ Wir stehen uns immer noch gegenüber.

„Gute Idee“, sagt die Frau Keuner. „Wollte ich auch, ich komm mit. Bissken langsam mit dem Gehwagen, aber wird schon klappen. Ich muss mir wat Neues aus der Wühltheke angeln, ich brauch mal wat Frisches, und da stehen die Leute dicht an dicht, so wie immer. Is so schön, und manchmal stößt man beim Grabbeln an eine fremde Hand, auch schön, so wie immer. Abstand halten geht auf dem Markt nicht. Außerdem wollte ich immer schon wissen, was du für eine Schutzmaske hast. Zeig mal.“ Ich hole das Teil aus der Tasche und spanne es hinters Ohr.

Jetzt endlich lacht die Frau Keuner: „Hömma, du hast ja auch die Fehlkonstruktion mit den Domspitzen. Tut mir leid, jetzt komm ich nah an dich ran, die Masken sind so dickstoffig, dass man laut reden muss. Da hat man nicht nur Spuckschutz, sondern auch Schallschutz. Die gleiche! Du warst dat also… Hömma, die haben mir in der Mauenheimer Straße gesagt, die Maske ist noch mal bestellt, von einer Dame. Du bist doch keine Dame. Aber das ist gut, wenn wir die gleiche Maske aufhaben, halten uns die Leute für Mutter und Tochter.“

„Und wer von uns beiden ist dann die Mutter?“, frage ich die Frau Keuner.

„Na wer schon, Mutti.

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Lächelnder Abstandhalte-Smiley mit Frau auf der einen Seite (rechtes „Auge“) und Mann auf der anderen (linkes „Auge“). Es liest sich so, als sollten die Geschlechter einen Sicherheitsabstand voneinander einhalten. So ist das hier gewiss nicht gemeint. Mein Vorschlag an die Stadt Köln: Man sollte in der nächsten Sylvesternacht rundum den Hauptbahnhof lächelnde Pappkameraden aufstellen.

„Corona ist Blöt“ – was die Politik Schulkindern zumutet

Nachbarskind Lena* geht in die vierte Klasse der Nippeser Gemeinschaftsgrundschule Steinbergerstraße. Im Sommer wird sie aufs Hansa-Gymnasium in der Innenstadt wechseln, das bereits ihr älterer Bruder besucht. Viel lieber wäre Lena mit ihren Freundinnen auf das Nippeser Leonardo-Da-Vinci-Gymnasium gegangen, aber eine Anmeldung dort wäre riskant gewesen.

Denn bei der Vergabe von Schulplätzen gibt es eine Abstandsregelung, die mit den aktuellen Corona-Abstandsregelungen wenig zu tun hat, aber ähnlich lebensfern ist. Man misst den Abstand zwischen Wohnung und Schule. Anders als ihre Freundinnen, die nur einen knappen Kilometer weit weg von der Schule wohnen, hätte Lena einen Schulweg von etwa 1,2 Kilometern. Weil das 400 oder 300 Meter zu weit ist, stehen ihre Chancen schlecht. Und würde sie am Leonardo-Da-Vinci nicht angenommen, verlöre sie den Geschwister-Bonus fürs Hansa. In einer Pressemitteilung der Stadt Köln vom 14.4.2020 heißt es: „92 Prozent aller Kölner Viertklässler wechseln somit zum neuen Schuljahr an das Gymnasium ihrer ersten Wahl.“ https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/mitteilungen/21724/index.html Das hört sich schön an, aber es stimmt nur für das, was auf dem Papier steht, denn das „Gymnasium der ersten Wahl“ ist -wie bei Lena- oft schon ein Kompromiss.

Dass das sture Befolgen einer Abstandsregelung über die schulische Zukunft eines Kindes entscheidet, ist eine Zumutung. Wie so oft müssen Kinder die Fehler der Erwachsenen ausbaden. Als die autofreie Siedlung Stellwerk 60 und eine noch größere Nachbarsiedlung gebaut wurden, hatte es die Stadt Köln versäumt, sich um neue Kindergarten- und Schulplätze zu kümmern, so dass selbst Grundschulkinder auf Nachbarstadtteile ausweichen mussten. Insbesondere in Köln-Nippes ist die Lage nach wie vor angespannt, was sich durch die Bebauung des Clouth-Geländes noch weiter zugespitzt hat.

Immerhin wird es Lena vergönnt sein, bis zum Abitur noch neun hoffentlich „komfortable“ Schuljahre vor sich zu haben. Bis auf ganz wenige Ausnahmen (drei von 625 Gymnasien, wie ich lese) sind zum Schuljahr 2019/2020 alle Gymnasien im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland NRW zu G9 (d.h. dem Abitur nach neun Jahren auf der weiterführenden Schule) zurückgekehrt. Das ist gut so und war längst überfällig. Dennoch gibt es nach wie vor G8-Hardliner wie den Kieler Bildungsforscher Olaf Köller, der in einem Interview sagt: „Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Die Politik ist vor dem Bürgertum eingeknickt – ohne wissenschaftliche Belege für das, was in der Debatte immer behauptet wird.“ https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/nrw-kehrt-zu-g9-zurueck-die-politik-ist-vor-dem-buergertum-eingeknickt-a-1283907.html

Doch es ist anders. Die Politik ist nicht eingeknickt, sondern man hat endlich eingesehen, dass G8 nicht der richtige Weg war. Hauptleidtragende waren in den letzten 15 Jahren (und werden es noch einige Jahre sein) diejenigen, die die Fehlentscheidung annehmen und mit ihr leben und arbeiten mussten: Kinder und Lehrer, aber auch die Eltern. Ich persönlich musste miterleben, wie meine beiden G8-Töchter ihre Köpfe mit viel zu viel überflüssigem Wissen vollpumpen und Nachtschichten einlegen mussten, um das ohnehin fragwürdige Zentralabitur gut zu packen. Bildung in einem umfassenden Sinn blieb dabei vollkommen auf der Strecke.

Schamlos finde ich, dass man, anstatt sich für den großen Fehler zu entschuldigen, uns Bürgerinnen und Bürgern auch noch die Kosten, die das bildungspolitische Chaos verursacht hat,  vorrechnet. Noch einmal Olaf Köller:  „Bundesweit dürften die Kosten im Milliardenbereich liegen. Und sie sind mit der Umstellung zurück auf G9 noch nicht behoben: Wir werden demnächst Jahrgänge haben, in denen es wegen der Verlängerung keine Abiturienten gibt. Auch das verursacht noch einmal erhebliche volkswirtschaftliche Kosten.“ (s.o.)

Schon im Jahr 2005, als G8 unter einer rot-grünen Landesregierung eingeführt wurde,  hatten Lehrer und Eltern immer wieder ihre Bedenken geäußert. Ich erinnere mich an ein Party-Gespräch mit Barbara, einer Lehrerin, die damals sagte, dass das dreizehnte Jahr als allmählicher Ausklang besonders wichtig sei. In diesem dreizehnten Jahr, so Barbara, machten die jungen Menschen noch einmal einen großen Entwicklungssprung – hin zur „Reife“.

 

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Ein Kind hat einen Zettel aufgehängt: „Corona ist blöt!“… Vor allem in der Grundschule hat es in den vergangenen Jahrzehnten sinnvolle Reformen gegeben. Eine davon ist das Schreibenlernen nach Gehör. Das fördert das Sprachgefühl. Kinder beginnen schon früh, kleine (oft ausdrucksvolle) Texte zu schreiben. Wichtig ist, dass die Kinder keine Angst haben müssen, Fehler zu machen. Wenn Eltern die ersten „Texte“ ihrer Kinder sehen, sind sie oft erschrocken: Wird mein Kind jemals ordentlich schreiben können? Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Es wird.

„Man mus mazn schuz tagen“, lese ich. Ja, man muss. Ich habe so oft in den letzten Wochen mitbekommen, wie sich Kinder (meistens im Eingangsbereich irgendwelcher Einkaufsläden) schreiend dagegen gewehrt haben, einen „Mund-Nasenschutz“ anzuziehen. Kinder maskieren sich gerne, aber nicht auf Befehl.

Die sogenannten „Lockerungen“ sind keine, denn sie haben die krampfhafteste Zwangsmaßnahme überhaupt erst mit sich gebracht: Die Maskenpflicht. Es soll uns ins Gesicht geschrieben stehen, dass wir zum Vorgehen der Bundesregierung Ja! sagen. Wir müssen uns ducken, wollen wir was zu essen kriegen. Wir parieren, wir ziehen uns dieses Jawoll! im wahrsten Sinne des Wortes an.

Nie hätte ich für möglich gehalten, was die Politik derzeit den Schulkindern zumutet. Für mich ist der offizielle Beschluss, dass die Maske zur „Grundausstattung“ aller Schulkinder gehört, die autoritärste pädagogische Maßnahme, die ich jemals erlebt habe, denn sie duldet keinen Widerspruch, wird als „Schutzmaßnahme“ verkauft und erfasst ohne Ausnahme alle. Und dabei ist der Zwang zur Maske nicht nur überzogen, sondern unvernünftig, denn anders als etwa die Schweinegrippe, an der vor allem jüngere Menschen schwer erkrankt und auch einige Kinder (vor allem Babys) gestorben sind, ist das Corona-Virus, wie wir längst begriffen haben sollten, für Kinder ungefährlich.

Doch die Behörden bleiben hart. Engherzig und knickrig verhält sich unsere „verarmte“ Kommune, die nicht einmal kostenlose Masken für alle bereit stellt.

….. Hinsichtlich der Schutzmasken hat sich der Krisenstab der Stadt Köln heute den aktuellen Positionen des Städtetages NRW angeschlossen. Seit dem 4. Mai 2020 gehört eine Mund-Nasen-Bedeckung zur Grundausstattung aller Schülerinnen und Schüler. Für die Grundausstattung tragen die Erziehungsberechtigten die Verantwortung. Die seit 27. April 2020 bestehende Verpflichtung, bei Einkäufen sowie der Nutzung des ÖPNV eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stellt bereits eine Verpflichtung zur Beschaffung und Nutzung dar. Es besteht aber nur dann eine generelle Maskenpflicht in der Schule, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. Ob Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände und in Klassenzimmern eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen, entscheidet die jeweilige Schulleitunghttps://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/mitteilungen/21778/index.html

Aber wie können Lehrerinnen und Lehrer unter diesen Bedingungen überhaupt noch unterrichten? Der Konflikt wird auf die Schulen abgewälzt. Und wieder einmal arbeitet die Politik mit Misstrauen und Drohungen: Wird der Mindestabstand nicht „freiwillig“ eingehalten, verdonnert man die ganze Schule zur Maskenpflicht.

Vor ein paar Tagen erfuhr ich, dass der Vater einer Vater eines Mädchens, das auf die selbe Schule ging wie meine Töchter, gestorben ist, an Corona, wie es hieß. Er war noch keine fünfzig Jahre alt, litt aber an einer schweren Diabetes. Ich bin ihm nie begegnet.

Erwachsene mit Diabetes sind gefährdet. Doch wie ist es um die Schulkinder bestellt, die Diabetes haben? Dürfen sie jetzt, so wie die anderen Kinder, wenigstens an einzelnen Tagen zur Schule? Auf die Grundschule Steinbergerstraße gehen (und gingen) auch Kinder, die an Diabetes Typ 1 erkrankt sind. Ich weiß das, weil unser Wahllokal (fast immer) ein Klassenzimmer dieser Schule ist. Wenn wir zur Wahl gegangen sind, sind mir wiederholt Aushänge aufgefallen, die die Mitschülerinnen und Mitschüler informieren und um Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit bitten.

In den allermeisten Schulen sind Kinder  mit Diabetes „willkommen“. In Thüringen jedoch, so lese ich, sollten Kinder mit Diabetes Typ 1 nicht zur Schule gehen, weil sie zur Gruppe der „Vorerkrankten“ gehören. Man orientierte sich dabei an den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), das alle Diabetiker pauschal als gefährdet einstuft..

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat Ende April direkt Alarm geschlagen. Sie warnte vor einer Ausgrenzung dieser Kinder: „Aus kinderdiabetologischer Sicht spricht also nichts dagegen, dass im Zuge der aktuell geplanten Schulöffnungen auch die hierzulande rund 30.000 Kinder und Jugendlichen mit Diabetes die Schule besuchen“, bilanziert DDG Vizepräsident Professor Dr. med. Andreas Neu aus Tübingen den aktuellen medizinischen Wissensstand. Er verweist auf die Stellungnahme der AG Pädiatrische Diabetologie (AGPD), die hierzu die aktuellsten Informationen zusammengetragen hat.[1] Diese basiert auf einer Datensammlung der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) aus der bislang keine bedenklichen Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Kindern mit Diabetes abgeleitet werden könnten.“ u.a.: https://www.diabetologie-online.de/a/schuloeffnungen-ddg-kinder-mit-diabetes-nicht-pauschal-vom-unterricht-ausschliessen-2154989

Doch warum hat das Robert-Koch-Institut (RKI) keine Entwarnung gegeben, was den Schulbesuch der betroffenen Kinder angeht? Warum unterscheidet man im Zusammenhang mit Corona nicht zwischen an Diabetes erkrankten älteren Erwachsenen und Kindern? Ich sehe hierin ein Versäumnis, das nicht nur inhuman, sondern inakzeptabel ist – und ein Nachspiel haben müsste.

In der autofreien Siedlung standen in den letzten Wochen überall Verschenke-Kisten herum. Neuerdings veranstalten die Kinder auch endlich wieder private Flohmärkte, die hier bei gutem Wetter (und in „Friedenszeiten“) alltäglich sind.

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Kinder-Flohmarkt: „Alles desinfiziert“

Zum Glück roch es rund um den Stand nicht nach Desinfektionsmitteln, sondern nach frischen Waffeln!

 

*Name geändert

Als die Menschen im Dom-Gottesdienst die Masken abnahmen…

In Italien müssen alle steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger eine Kirchen- bzw. Kultursteuer bezahlen, denn von ihrer Einkommenssteuer zieht der Staat 8 ‰ direkt ein.  Immerhin kann man auf der Steuererklärung angeben, welcher Religionsgemeinschaft das Geld zufließen soll, man kann auch sagen, dass es dem Staat zugute kommen oder für soziale Zwecke verwendet werden möge, aber der Großteil des Geldes landet Jahr für Jahr bei der katholischen Kirche.

Anders als die Deutschen können sich die Italiener also nicht durch einen Kirchenaustritt von der Kirchensteuer befreien. Katholiken, die aus der Kirche austreten, müssen sich aus dem Taufregister löschen lassen. Aber wer macht das schon? Es ist, als würde man einen Teil der eigenen Geschichte auslöschen.

In einem erhellenden Artikel zu Italien aus dem Jahr 2008 lese ich: „97 Prozent der Bevölkerung ist katholisch getauft, aber nur 21 Prozent der Italiener gehen noch regelmäßig in die Kirche. Kathedralen und Basiliken verwaisen zusehends.“ https://www.deutschlandfunk.de/leere-kirchen-volle-kassen.795.de.html?dram:article_id=117563

Aktuell sind zwar immer noch rund 80% der Italiener Katholiken, aber das sind schon weniger als noch vor 12 Jahren. Heißt das, dass die italienischen Kinder nicht mehr getauft werden? 80% ist immer noch eine stolze Zahl, aber sie spiegelt nicht die Realität wieder, denn die Kirchen sind leer. So nutzt auch die die italienische katholische Kirche die Corona-Krise dafür, die Werbetrommel zu schlagen. Wie in Deutschland waren (und sind bis zum 18. Mai) in ganz Italien öffentliche Gottesdienste verboten.

Um nicht noch weitere Gläubige zu verlieren, übertrug die Kirche nicht irgendwelche Gottesdienste, sondern die täglichen Frühmessen des Papstes in der vatikanischen Residenz Santa Marta live über katholische Internet- und TV-Kanäle. Eine schlaue Idee: Der Papst ist ja kein gewöhnlicher Geistlicher, sondern gilt für die Katholiken als Stellvertreter Christi auf Erden.

Zunächst war das Interesse an den Übertragungen gering, doch nachdem ab Ende März der öffentlich-rechtliche Sender Rai 1 die Messe austrahlte, entwickelte sich der Gottesdient zum Quoten-Hit. „Steigende Todeszahlen sowie immer striktere Schutzmaßnahmen der Regierung in Rom ließen das Interesse an den tröstenden Worten des Kirchenoberhaupts schnell wachsen. Franziskus nutzte die Chance. Einmal mehr bewies er Volksnähe und nahm die Sorgen von Millionen Menschen in seinen Gebetsintentionen auf. Er würdigte den aufopferungsvollen Einsatz von Pflegern, Ärzten, Politikern und Seelsorgern. Vor allem den unter den Einschränkungen leidenden Familien sprach er immer wieder Mut zu.https://religion.orf.at/stories/3002453/

Paolo Rodari, Chef vom Sender TV2000, der von der italienischen Bischofskonferenz unterhalten wird und ebenfalls die Frühmessen ausstrahlt, „sieht in den  hohen Einschaltquoten ein Indiz für einen „spirituellen Notstand“.“   https://religion.orf.at/stories/3002453/

Fernsehen und Internet machten nicht einmal halt vor der Live-Übertragung  des Blutwunders des Stadtheiligen Januarius (italienisch Gennaro), das sich -wie erwartet- am 2. Mai termingerecht in Neapel ereignete. „Während einer nicht-öffentlichen Zeremonie in der Kathedrale mit Kardinal Crescenzio Sepe verflüssigte sich das in einer Glasampulle aufbewahrte eingetrocknete Blut des Märtyrers. Sepe sprach von einem „Zeichen der Hoffnung“ in schweren Zeiten.“ https://www.katholisch.de/artikel/25372-blutwunder-in-neapel-macht-italien-hoffnung-in-corona-krise

Das Blutwunder soll, wie ich lese, seit dem Mittelalter belegt sein. In Italien „operiert“ die katholische Kirche traditionell mit eucharistischen Wundern, die sich in ganz Italien angeblich immer wieder ereignen. In Deutschland ist das anders. Da haben vor allem die Wunder Jesu Christi eine hohe, aber eher symbolische Bedeutung. Erschreckend und erstaunlich finde ich daher, dass jetzt auch die deutsche katholische Kirche begeistert aufspringt und das Kölner Domradio einen Artikel über das Blutwunder in Neapel in roten Lettern mit „Es ist geschehen!“ untertitelt. https://www.domradio.de/themen/glaube/2020-05-03/es-ist-geschehen-blutwunder-neapel-macht-italien-hoffnung  Ich persönlich glaube zwar an Wunder, aber eben nicht unbedingt an katholische – und schon gar nicht an solche, die Jahr für Jahr feste Termine einhalten.

Aber wie steht es um den derzeitigen „spirituellen Notstand“ der Deutschen? Würden sie bei der ersten öffentlichen Sonntagsmesse am 10.12.2020 vor dem Dom Schlange stehen? Um das herauszufinden, meldete ich mich per Internet für den Früh-Gottesdienst an. Es war überhaupt  kein Problem, für die Messe um 7h noch Karten zu kriegen…

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So wird der „spirituelle Notstand“ gemanagt: Damit sich der Einlass „reibungslos vollzieht“, verteilt die katholische Kirche „Nutzungs- und Anwendungshinweise“.

 

Da der im Wetterbericht angekündigte Regen ausfiel, setzte ich mich in aller Frühe auf mein Grachtenrad und radelte via Agnesviertel und Eigelstein über sonntäglich leere Straßen die knapp vier Kilometer zum Dom.

Ich stellte mein Fahrrad unterhalb der Domplatte ab und machte mich auf den „Weg zum Dom“, gemäß der Einlasskarte mit Schutzmaske, denn…

  • Wir empfehlen Ihnen dringend, auf dem Weg zum Dom, in der Warteschlange vor dem Dom und in der Kathedrale eine Schutzmaske zu tragen.

Okay, nur: wo war die Warteschlange? Maskengeschützt betrat ich den Dom und bemerkte, dass es noch Einlasskarten gab, die an einem kleinen Tischchen verkauft wurden. Ein schutzmaskierter Mann in Kirchengewand teilte mir einen Platz in der fünften Reihe zu, der eigens für mich reserviert war. Ich saß ganz linksaußen, während man den Platz rechtsaußen einem Mann zuwies, der keinen Blickkontakt zu mir aufnahm. Unsere Bank die wir ganz für uns hatten, war die dritte belegte, weil man Reihe zwei und vier ausgespart hatte.

Ich guckte mich um, zählte durch und kam auf gerade mal 27 von 122 zugelassenen Personen. Doch was sah ich da? Als das „Vater unser“ angestimmt wurde, nahm eine Frau die Schutzmaske ab und holte tief Atem. Fast alle machten es ihr nach. Was für eine Befreiung! Wir wurden während der Messe noch einmal an die dringende Empfehlung erinnert, eine Schutzmaske zu tragen, aber das beeindruckte kaum jemand.

Beim „Kommuniongang“ wurde uns die Hostie unter einer Plexiglasscheibe hindurch gereicht. „Mundkommunikation“ war -wie angekündigt- nicht möglich. Man hielt sich an die Anweisungen der Deutschen Bischofskonferenz. Demnach „soll der Priester beim Überreichen der Hostie nicht mehr „Der Leib Christi“ sagen, und der die Hostie empfangende Messbesucher soll auf das übliche „Amen“ verzichten.“ https://www.sueddeutsche.de/panorama/kirche-gottesdienst-mit-auflagen-kein-gesang-hostie-mit-der-zange-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200426-99-837246 Nach Empfang der Hostie zog im Kölner Dom kein Mensch mehr seine Maske an.

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Selfie mit Kleinbildkamera. Der Mund- und Nasenschutz drückt mir die Ohren zusammen. An diesem Morgen sehe ich wie ein Halfjehang aus, wie die Kölner sagen.  „Nach der Definition des Rheinischen Wörterbuchs ist ein Halfjehang ein „nachlässig, halbbekleidetes Weib“, aber „auch wohl von einem Manne.“ … Heute bezeichnet man mit Halfjehang jedoch ganz allgemein einen Menschen, der keinen Wert auf gut sitzende Kleidung legt.“ https://www.genios.de/presse-archiv/artikel/GAZ/20151001/halfjehang-die-kleidung-sitzt-schie/201510012473846.html

KATHOLISCH ÖFFENTLICHE „BÜCHEREI – ON – LEINE“

Im Pfarrbüro von St. Marien hatte ich einmal eine nette Begegnung:

Im Jahr 2015 hatte sich meine ältere Tochter nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr dafür entschieden, Psychologie zu studieren. Sie musste sich bei jeder Universität einzeln bewerben und jedes Mal das Abiturzeugnis vorlegen. Manchen Unis reichte eine einfache Kopie, andere wollten eine beglaubigte haben. Von der Schule hatte meine Tochter zwei beglaubigte Kopien bekommen, die natürlich direkt aufgebraucht waren. So bot ich meiner Tochter an, im Pfarrbüro von St. Marien nachzufragen. Dort war man sehr freundlich. Die Mitarbeiterin machte noch eine Extra-Kopie, setzte den Stempel „beglaubigt“ darauf und den der Pfarrei St. Marien darunter.

Bezahlen durfte ich nichts, nicht einmal der Kirche was spenden. „Das kostet doch die jungen Menschen ein Heidengeld, wenn sie sich überall einzeln bewerben“, sagte die Frau. Nun, „Heidengeld“ sagte sie nicht, das habe ich jetzt eingefügt. Das Wort kommt mir in den Sinn, obwohl wir ja wissen, dass diejenigen, die zu viel Geld haben, nicht unbedingt Heiden sind (s. Katholische Kirche). Die Universität Bremen, an der meine Tochter schließlich landete, hat die Kopie nicht angenommen. Man erwartete eine von einer öffentlichen Behörde ausgestellte Beglaubigung. Den Stempel der Katholischen Kirche empfand man offensichtlich als unseriös oder gar „unecht“. In Bayern wäre das nicht passiert (da passiert derzeit anderes, das fragwürdig ist), aber Bremen ist nun mal traditionell evangelisch.

Das Haus, in dem sich das Büro befand, ist abgerissen. An der Stelle wird jetzt das „Haus der Kirche“ gebaut. Für die Zwischenzeit ist das Pfarrbüro in ein Gebäude in der Wilhelmstraße umgezogen, das auch die „Bücherei St. Marien“ beherbergt sowie den Arbeitskreis „Eine Welt im Veedel“ (den Nippesern wohlbekannt durch den freitäglichen „Fairer Handel“-Marktstand). Die Bücherei ist zur Zeit geschlossen, aber man hatte die schöne Idee, eine Wäscheleine vors Fenster zu spannen und „Kleine Kostbarkeiten“ daran aufzuhängen.

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Aktuell lädt man Kinder dazu ein, Bilder zu malen (gelbe Kopie: „Das sehe ich aus meinem Fenster“), die eingesammelt und veröffentlicht werden sollen.

Vor zwei Wochen hatte ich mir ein Gedicht, das dort gleich doppelt hing, von der Leine genommen:

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Vor allem im Gesundheitswesen erhalten wir in den letzten Jahren vermehrt „unerwünschte Belehrungen“. Gesundheit wird zur Bürgerpflicht-  und auch der Frohsinn.

 

In der Aktion „Für ein gesundes Miteinander“ gibt die DAK Verhaltensmaßregeln: „Ihr könnt euch mal ! … Freundlich grüßen. Denn Freundlichkeit im Alltag ist ansteckend und führt zu weniger Aggression und Stress. Gute Laune, guten Tag.“

Die Aktion „Für ein gesundes Miteinander“ suggeriert, dass wir normalerweise ziemlich unfreundlich (ungesund) miteinander umgehen. Das mag für manche Menschen immer und für viele Menschen manchmal stimmen (auch für mich), so pauschal jedoch ist das eine böse Unterstellung. Es ist wünschenswert, dass Menschen freundlich zueinander sind, aber bitte nicht auf Befehl! Diktierte Gefühle fördern die Heuchelei. Der Zwang zur Nähe, der hier so locker-lässig daherkommt, führt eher dazu, dass wir uns noch mehr voneinander entfernen.

In Deutschland gibt es mittlerweile das Schulfach „Glück“ – auch auf Anregung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Ich finde, es müsste ein anderes Schulfach geben: NEIN. Wie lerne ich, angesichts des Zwangs zu Frohsinn, Gesundheit und Glück nicht immer freundlich zu lächeln, sondern in der Lage zu sein, NEIN zu sagen.

 

Coronoia lässt die Kassen klüngeln: Der FC Köln erklärt dem Erzbistum, wie man Tickets verkloppt

„Man kennt sich, man hilft sich.“ (Konrad Adenauer)

Wir erleben sogenannte „Lockerungen“, aber was bleibt und durch die Maskenpflicht noch verschärft wird, ist der „Sicherheitsabstand“. Die Kinos, die davon leben, dass die Menschen dicht an dicht sitzen, bleiben weiterhin geschlossen. Nach wie vor darf nur ins Kino, wer bereit ist, in einer Blechkiste vorzufahren und darin sitzen zu bleiben. Im Autokino soll man zwar, sobald das Fahrzeug steht, die Sicherheitsgurte ablegen, man darf die Fenster öffnen, aber damit endet auch schon die Bewegungsfreiheit.

Derzeit werden in ganz Deutschland (bis auf Bayern, wo sogar die Autokinos geschlossen sind) neue, oftmals mobile Autokinos eröffnet. Auch wenn sich die Betreiber die Hände reiben, kann das auf Dauer nicht gut gehen. Denn es werden keine neuen Filme gezeigt, obwohl die längst abgedreht und vorab gezeigt worden sind. Damit aber diese neuen Filme in die Kinos kommen, müssen die klassischen Kinos wieder geöffnet werden. Das lohnt sich aber nur, wenn die Säle voll sind, was aber nur dann gewährleistet ist, wenn die Menschen keinen Sicherheitsabstand einhalten müssen.

Die Kirchen haben ein ganz ähnliches Problem wie die Autokinos: Keine neuen Impulse. Der Run auf die Gottesdienste wird schnell abflauen. Immerhin braucht man seit dem 1. Mai nicht mehr ins Internet oder -wie bei den Oster-Gottesdiensten- ins Autokino, um eine Messe zu besuchen. Auch im Kölner Dom werden am Muttertag endlich wieder öffentliche Sonntags-Messen stattfinden – unter besonderen Auflagen.

Der Kölner Dom ist ja nicht irgendeine Kirche, sondern das kölnische Aushängeschild. Als Weltkulturerbe-Stätte und Deutschlands größte Kathedrale ist der Dom eine Kirche der Superlative. Nach Fertigstellung im Jahr 1880 hatte der Kölner Dom im Wettkampf um das höchste Gebäude der Welt die Turmspitzen mit 157 m am weitesten oben. Jedes Kölner Schulkind (das klettern kann, denn es gibt keinen Aufzug) erklimmt irgendwann die 533 Stufen, die zur Besucherplattform (97 m) hoch führen.

Am letzten Sontag gab es im Dom nach sechs Wochen wieder einen Gottesdienst, aber nicht für alle Kölner, sondern ausschließlich für „Mitarbeiter des Doms, Sänger, Lektoren und Messdiener sowie einige Pressevertreter.“ Man wollte, so hieß es, den Normalfall üben. Das Fazit der Übung: Zur öffentlichen Messe zugelassen sein werden immer nur 122 Personen, und auch nur dann, wenn sie einen Mundschutz tragen und den Sicherheitsabstand einhalten. https://www.sueddeutsche.de/panorama/gottesdienst-koelner-dom-coronakrise-1.4895447  Ich fand leider nirgendwo eine Anwort auf meine Frage, wie man das Kollekte-Problem lösen wird. Gibt es weiterhin nur einen digitalen Klingelbeutel?

Gestern kam ich gegen 19.30 vom Einkaufen zurück und radelte wie fast jeden Tag an St. Marien vorbei. Doch was sah ich? Vor der Kirche standen Liegestühle, zwei Einzel- und ein Doppelsitzer waren mit entsprechendem Sicherheitsabstand höchst einladend platziert. Menschen hatten sich in die Stühle gefläzt, die Hosen hochgekrempelt, Pulle Bier dabei. Richtig schön. Was war los? Hat der Katholische Kirchenverband Bilderstöckchen-Nippes den Vorplatz der Kirche zum Beach-Club erklärt?

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Die Auflösung: Das angrenzende Café Rosenrot hat die Liegestühle vor die Kirche gestellt, um den Menschen, die Essen bestellen, die Wartezeit zu versüßen. Diese beiden sehr freundlichen und gut gestimmten Nippeser Mitbürger waren mit dem Fotografiertwerden direkt einverstanden…. Im Hintergrund wird am „Haus der Kirche“ emsig weiter gearbeitet. „Haus der Kirche“ klingt, als stünde das Gebäude insbesondere der Gemeinde zur Verfügung. Aber so ist es nicht. Hierzu mehr im stets informativen Nippes-Magazin  (früher „Für Nippes“) http://veedelmedia.de/flip-pdf/fuer-nippes_2015-2

Für die Messen am Sonntag oder die Abendmesse am Samstag konnte man sich ab Mittwoch Karten reservieren lassen. Die Zugangskarten sind kostenlos, aber nicht übertragbar. Hatten wie das nicht schon mal? Ich denke da an die Gottesdienste im Autokino.

Hilfe bei der Reservierung bekommt die Katholische Kirche vom 1.FC Köln, der derzeit ebenfalls Einnahmeeinbußen zu verkraften hat. Für die Reservierungen benutzt die Kirche genau das Computersystem, das der Fußballclub 1. FC Köln für seine Fan-Kommunikation verwendet. „Der Verein hat deshalb Unterstützung bei der Schulung von Mitarbeitern der Pastoralbüros angeboten“, heißt es auf erzbistum-koeln.de  Generalvikar Dr. Markus Hofmann: „Wir sind dem 1. FC Köln sehr dankbar…  Das ist ein schönes Zeichen der Verbundenheit.“ Alexander Wehrle , Geschäftsführer des 1. FC Köln, sagt„Wir haben dem Erzbistum sehr gerne mit unserer Erfahrung geholfen. Als Club der Stadt stehen wir zu Köln und seinen Bürgern und natürlich auch zu den Kirchen. Wenn wir etwas dazu beitragen konnten, dass Menschen in unserer Stadt trotz der Einschränkungen der Corona-Krise ihren Glauben leben und ausüben können, freut uns das sehr…“ https://www.erzbistum-koeln.de/news/Erzbistum-nutzt-Online-Ticketsysteme-fuer-sichere-Messfeiern/

So wäscht eine Hand die andere – aus Hygienegründen natürlich rein digital.

Den Hinweis auf das schöne Adenauer Zitat verdanke ich einem Artikel von Ertay Harif, in dem der Kölsche Klüngel anschaulich (und in seiner Ambivalenz!) beschrieben wird. https://koeln-magazin.info/kluengel0.html

Corona-Blues – Wo bleibt der Wonnemonat?

Auf dem Gelände von Stellwerk 60 wachsen viele Birken. Die meisten waren schon da, bevor die autofreie Siedlung gebaut wurde, andere sind später angepflanzt worden. In den Walpurgisnächten der letzten Jahre sind leider immer wieder einige der jüngeren Birken gefällt worden. In diesem Jahr war das anders.

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Eine rettende Idee: Kinder haben den Birken in der autofreien Siedlung Plakate umgehängt.

Diesmal sind in der Siedlung alle Bäume stehen geblieben. Überhaupt fielen die Maibäumchen, die traditionell der junge Mann seiner Angebeteten bringt, in ganz Nippes eher bescheiden aus. Ob das an Corona lag? Ich vermutete eine Anweisung des Kölner Ordnungsamtes mit folgendem Wortlaut: In diesem Jahr ist aus den bekannten Gründen nur das Überreichen kleiner Maibäumchen bzw. Zweige erlaubt. Der Absender darf in keinem Fall anonym bleiben, sondern muss, damit mögliche Infektionswege nachverfolgt werden können, die Transaktion anmelden. In jedem Fall möge die Person, die das Bäumchen aufstellt, es mit dem Namen der Empfängerin namentlich kennzeichnen.

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Ich mag meinen Augen nicht trauen. Ist Morten nicht ein Männername? Könnte es sein, dass eine Frau … ? Im Internet finde ich die Erklärung. In Schaltjahren (wie 2020), so lese ich, „dürfen“ neuerdings auch die Frauen aktiv werden und den Männern Maibäumchen vor die Tür stellen. Aber muss das sein? Sollten sich die jungen Frauen nicht besser in Hexen verwandeln und die Walpurgisnacht feiern?

Mich befiel eine tiefe Sehnsucht nach einem richtigen Maibaum. Maibäume sind ja nicht nur abgesäbelte Bäume, sondern eine Demonstration überschäumender (männlicher) Lebenslust. Lebenslust und Lebensfreude jedoch darf es derzeit nicht geben. Das Leben ist weitgehend verboten.

Viele Verbote sind wichtig und richtig. Es wäre mehr als nur wünschenswert, wenn es endlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gäbe. Immerhin ist im Autoland Deutschland das Hupen in geschlossenen Ortschaften verboten. Manchmal jedoch wird dieses Verbot übertreten. Wir alle drücken gerne ein Auge zu, wenn deutsche Männer (meistens sind es ja Männer) laut hupend durch die Stadt fahren, weil „unsere“ Fußball-Nationalmannschaft gewonnen hat.

Wir Nippeser hören an fast jedem Samstag ein lautes, wildes Hup-Konzert, dann nämlich, wenn eine riesige türkische Hochzeitsgesellschaft auf dem Weg zum Hochzeitssaal in Niehl oder einem anderen festlichen Ort über die Neusser Straße fährt.

Am letzten Samstagnachmittag ist mitten auf der Kreuzung Wilhelmstraße/Neusser Straße ein Hochzeits-Autokorso stecken geblieben. Der Korso bestand aus gerade mal zwei Wagen. Es wurde nur zaghaft gehupt, denn sonst wäre aufgefallen, dass die Insassen keine Gesichtsmasken trugen. Traurige neue Welt…

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2. Mai 2020, 18h30.

Elfchen im Fünften: Nippeser Halsbandsittiche vertreiben die BZgA

Adieu,

Sexperten! Packt

ein euer Papperlapapp!

Ab nach Braunsfeld in

Aufklärungskrampfhaft

Bis vor wenigen Jahren war die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nicht nur in Köln-Merheim ansässig, sondern auch in der Nippeser Werkstattstraße. Die Nippeser Büroräume der BZgA befanden sich kaum hundert Meter weit weg vom Südeingang unserer Siedlung in einem Haus der Deutschen Bahn direkt an der S-Bahn-Trasse.

Anfang 2015 hat dann die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung -unter dem Beifall zahlreicher freiheitsliebender Nippeser Halsbandsittiche- ein neues, lichtes Gebäude am Maarweg in Köln-Braunsfeld bezogen. Auf einem älteren Foto ist der Nippeser Standort der BZgA noch ausmachbar: https://www.alamy.com/stock-photo-kln-nippes-werkstattstrasse-102-eisenbahn-bundesamt-aussenstelle-in-102152595.html?pv=1&stamp=2&imageid=BA530D22-9F00-42A6-971F-62E6CA1A103A&p=73423&n=0&orientation=0&pn=1&

Der Grund für den Umzug der BZgA von Nippes nach Braunsfeld war angeblich der baufällige Zustand des Hauses. Doch da war noch etwas anderes, das bohrend störte, das die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BZgA in Atem hielt und ihnen mit der Zeit die Arbeitsmoral raubte: Der Papageienvögel unkontrollierbare Fortpflanzungsfreude. In der südlichen Außenwand des Gebäudes (das so baufällig nicht sein kann, denn aktuell beherbergt es vier Bahn-Behörden) nisten und brüten Halsbandsittiche – und das schon seit vielen Jahren. Damit der Nachwuchs es schön mollig hat, haben die Papageienvögel Höhlen in die Wärmedämmung gegraben.

Immer wieder hat man die Bruthöhlen zugestopft und die Schlupflöcher verspachtelt, doch jedes Mal waren die Sittiche munter pickend schon bald wieder da. Alle Versuche, die Tiere zu vertreiben und an der Eiablage zu hindern, sind fehlgeschlagen.

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Nippes, April 2020… Da lacht der Halsbandsittich: „Sexualaufklärung beginnt mit der Geburt.“ (WHO-Regionalbüro für Europa und BZgA: Standards für die Sexualaufklärung in Europa)

Es gibt eine weise Kinderfrage, die lautet: „Wo komme ich her?“ Sexualaufklärer geben hierauf eine rationale, einfache Antwort. Sie erklären schon dem Kindergartenkind, dass es gemacht wurde: Die Eltern hatten Sex und haben dabei ein Kind hergestellt.

Ich weiß noch, wie meine jüngere Tochter nach dem Sexualkundeunterricht in der Grundschule nach Hause kam und ziemlich verstört war. „Mama, warum war ich so ein altes Ei? Und warum bist du 15 Jahre älter als Maras Mutter?“ Man muss wissen: Ich habe meine jüngere Tochter mit knapp 41 Jahren bekommen. Im Sexualkundeunterricht hören die Kinder, dass ältere Frauen, die ein Kind erwarten, „Risikoschwangere“ sind, und man erzählt ihnen, dass die „Qualität“ der Eizellen einer Frau mit zunehmendem Alter abnimmt. Dass ältere Schwangere (und deren Kinder) mit einer solchen Behauptung diffamiert werden, kann kein Kind begreifen.

Ich hatte die Frage befürchtet und sagte: „Ich wollte dich und kein anderes Kind. Noch bevor ich dich kannte, mochte ich dich sehr. Doch um dich zu kriegen, musste ich 40 Jahre alt werden. Monat für Monat machte sich in mir ein winzigkleines Ei auf den Weg zu den Menschen, aber meine Gebärmutter wies eins nach dem anderen ab, weil es noch nicht das richtige war. Ich habe gewartet und gewartet, Monat für Monat. Irgendwann wurde ich mit dir schwanger. Jetzt endlich warst du auf dem Weg in die Welt.“

Sexualität ist geheimnisvoll. Warum verlieben wir uns? Mit Hormonen alleine lässt sich es nicht erklären. Es ist ja wirklich so, dass uns die Liebe „Flügel verleiht“. Man sollte meinen, Sexualpädagogen hätten nicht den Hauch einer Ahnung von der Liebe, wenn sie auf Anweisung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Schulkinder dazu auffordern, Penisattrappen Kondome überzustreifen.

Offenbar nimmt es die BZgA, was eigene Aktionen und Transaktionen angeht, mit der Aufklärung nicht so genau. Im Gegenteil: In Merheim hatte man zwar keine Leichen im Keller, aber belastende Altlasten – und einen schweren, insbesondere für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesundheitsgefährdenden Schimmelbefall. Der Umzug von Merheim nach Braunsfeld brachte einen ganzen Haufen unliebsamer, vergessener Fundstücke zutage: https://www.sueddeutsche.de/politik/rechnungshof-300-aktenordner-verschimmeln-in-der-bundeszentrale-fuer-gesundheitliche-aufkaerung-1.2960700